Shared Leadership

Was konkret versteht man unter Shared Leadership?

Claudia Dünisch: Konkret ist es die Verteilung von Führung auf unterschiedliche Personen. Das bedeutet, dass es in einem Team nicht nur eine:n, sondern gleich mehrere Teamleiter:innen gibt. Es ist eine Form pluraler Führung. In unserem Fall treffen wir die Entscheidungen zu zweit. Für Unternehmen hat Shared Leadership den Vorteil, dass Entscheidungen auf einer breiteren Basis, nämlich aus mehreren Perspektiven heraus, getroffen werden.

Wie ist es bei euch zu diesem zunehmend beliebter werdenden Set-up gekommen?

Carmen Kuster:Im vergangenen Jahr hat Raiffeisen Capital Management die Position „Head of International Business“ ausgeschrieben. Wir waren bereits beide im Team und haben uns mit einer sehr unterschiedlichen, aber wie wir im Nachhinein bemerkt haben, perfekt komplementären Pitch-Unterlage darauf beworben. Im Rahmen des Assessment Centers habe ich dem Entscheidungsgremium proaktiv das Modell des Shared Leaderships vorgeschlagen. Abgesehen davon, dass ich schon davor sehr gerne mit Claudia zusammengearbeitet hatte, war auch klar, dass es für unser Unternehmen sehr wichtig ist, den Generationenwechsel zugunsten jüngerer, extrem talentierter und ambitionierter Kolleg:innen als Führungskräfte herbeizuführen, ohne die Markterfahrung langjähriger Mitarbeiter:innen zu verlieren. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir die Möglichkeit erhalten haben, den Proof of Concept erbringen zu dürfen.

Oft wird das Modell mit Teilzeit assoziiert, ihr arbeitet aber beide in Vollzeit. Wie funktioniert der Alltag? Muss euer Team mit euch beiden abstimmen?

Claudia Dünisch:Als wir die Herausforderung des Co-Leadership-Modells letztes Jahr angenommen haben, haben wir uns sehr intensiv mit der Ausgestaltung, dem gemeinsamen Verständnis sowie einer klaren Strukturierung und Aufgabenfokussierung auseinandergesetzt, die auch für unser Team transparent ist. Wir haben die inhaltlichen Verantwortlichkeiten – entlang unserer Zielmärkte und -gruppen – aufgeteilt, so dass klar ist, wer für was zuständig und hierfür auch die Ansprechperson im Team ist. Bei Personalfragen stimmen wir uns eng ab und führen Zielsetzungs- und Evaluierungsgespräche gemeinsam. Die administrativen Tätigkeiten, die in Zusammenhang mit der Führung der Mitarbeiter:innen anfallen, haben wir aufgeteilt.

Frauen in der Wirtschaft

Die Geschlechtergleichheit als ein globales Ziel „Nachhaltiger Entwicklung“ wurde im September 2015 von den 193 Mitgliedsstaaten der UN beschlossen. Aber wie steht es aktuell um das Subziel der Chancengleichheit in der Wirtschaft, insbesondere bei der Übernahme von Führungsrollen?

Welche Vorteile seht ihr in diesem Modell?

Carmen Kuster:Dadurch, dass wir uns in wichtigen Fragen täglich austauschen, können wir uns bei anstehenden Entscheidungen durch gezieltes Hinterfragen unterstützen. In Gesprächen schärfen wir unsere Argumente und können am Ende dann klarer und zielgerichteter ans Team, an Kund:innen und an andere Stakeholder kommunizieren. Wir sehen uns als Sparringspartnerinnen und sind es auch.

Claudia Dünisch: Hinzu kommt, dass wir so auch effizienter sind, da wir mehrere Projekte parallel vorantreiben können. In der Kundenbetreuung stehen immer Kundenanfragen und -bedürfnisse an oberster Stelle, die sich ja nicht immer antizipieren und planen lassen. Oft lässt das „Fire Fighting“ im Tagesgeschäft andere Projekte in den Hintergrund rücken. Zu zweit können wir das besser bewältigen und eine von uns kann sich im Bedarfsfall freispielen.

Das Shared Leadership-Modell wird überdurchschnittlich oft von und mit Frauen umgesetzt. Warum ist das eurer Meinung nach so?

Carmen Kuster:Es steht uns nicht zu, in diesem Punkt zu generalisieren, da wir die empirischen Daten weltweit zu wenig kennen. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass einige Männer aus der Tradition heraus noch immer das Einzelführungs- Modell anstreben, während Frauen aus unterschiedlichen Gründen offener sind, Führungsverantwortung zu teilen. Sie sehen – so wie wir auch – die vielen Vorteile, die dieses Modell ihnen, aber auch dem Team bringt. Das Institutionelle Kundengeschäft ist ein extrem zeitintensives Business – die Führungsaufgaben teilen zu können, kommt uns da sehr entgehen. Ganz allgemein erfordert Shared Leadership eine gute Kommunikation, gegenseitiges Vertrauen sowie das klare, geteilte Verständnis vorgegebener Zielsetzung. Die Bereitschaft einen Konsens zu finden, auch wenn die Meinungen einmal auseinander gehen, ist eine wichtige Basis für das Funktionieren dieses Modells. Dabei lernt man viel vom Gegenüber.

Apropos Lernen, was nimmt man diesbezüglich mit?

Claudia Dünisch: Wir haben festgestellt, dass sich unsere sehr unterschiedlichen Charaktere gut ergänzen und uns in der Sache, bei der Erreichung gemeinsamer Ziele, weiterbringen: Carmen sprüht vor Ideen und kreativen Lösungsansätzen, ich wiederum bin sehr strukturiert und versuche ihre Ideen in eine klare und umsetzbare Form zu bringen. Mit der Bereitschaft zur Selbstreflexion und der Anerkennung der Stärken der Anderen, lässt sich das auf eine produktive Weise verbinden.

Carmen Kuster: Und unsere Ziele bestehen darin, als Team den Ansprüchen unserer Kund:innen gerecht zu werden: Sicherzustellen, dass unsere Servicequalität top ist und wir Anlagelösungen anbieten können, die auf Basis eines nachhaltigen, verantwortungsvollen Investmentstils Erträge bringen.

Gleich und doch nicht gleich

Mehr zur geschlechtsspezifischen Diskriminierung und der Teilhabe von Frauen und Mädchen an Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft lesen Sie in unserem Schwerpunkt "Geschlechtergleichstellung" der Ausgabe NACHHALTIG INVESTIEREN.

Quelle: Raiffeisen INSIDE, Nr. 1/2023

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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