Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussion:

  • Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin CARE Österreich

  • Andrea Hagmann, Vorständin Oikocredit Austria

  • Philipp Müller, CEO BlueOrchard Finance AG – Impact Investment Managers

  • Waltraud Probst, Fondsmanagerin Raiffeisen KAG

Dieter Aigner: Frau Hagmann, Kleinstkredite gelten als wichtiges Instrument, Frauen aus der Armut herauszuführen und sie als Klein- und Kleinstunternehmerinnen zu ermächtigen. Können Sie kurz beschreiben, worum es da geht und was Oikocredit tut?

Andrea Hagmann: Oikocredit unterstützt Menschen, die bei Kommerzbanken keinen Kredit bekommen, weil sie unter anderem keine Sicherheiten bereitstellen können und damit nicht als kreditwürdig gelten. Im Fokus stehen dabei die sogenannten Working Poor in den Entwicklungsländern. Menschen, die im Arbeitsprozess stehen, aber trotzdem nicht genug Einkommen haben, um ihr Leben und das ihrer Familien zu bestreiten. Diese Menschen leben am Rande der Armutsgrenze. Eine kleine Krise genügt, um ihre Existenz zu gefährden. Diese Menschen erreichen wir natürlich nicht von Amsterdam, unserem Hauptsitz, aus, sondern über unsere Partnerorganisationen vor Ort – NGOs, Banken und Mikrofinanzinstitutionen –, die sehr genau in Hinblick auf Zielsetzungen und Kundengruppen ausgewählt werden. Das heißt, sie müssen unsere Ziele wie Arbeitsplatzerhalt oder -schaffung teilen, aber auch benachteiligte Kundengruppen wie beispielsweise Frauen oder Kleinbauern im Fokus haben. Wir finanzieren diese Partnerinstitutionen und diese beraten und begleiten unseren Endkunden vor Ort. Die Höhe der Kredite beginnt dabei schon bei wenigen Dollar. Oikocredit ist in 33 Ländern aktiv und arbeitet mit mehr als 500 Partnerinstitutionen zusammen. Die Summe der Projektfinanzierung beträgt derzeit knapp 900 Millionen Euro.

Aigner: Anfang der 2000er Jahre wurden Mikrokredite auch von Entwicklungsbanken stark unterstützt und 2006 bekam der bengalische Wirtschaftswissenschafter Muhammad Yunus für dieses Geschäftsmodell den Friedensnobelpreis. Doch es gibt auch Kritik. Weshalb?

Hagmann: Die Mikrofinanz gibt es schon sehr lange. Denken wir nur an den ursprünglichen Gedanken von Raiffeisen, bei dem es genauso wie bei Mikrofinanz um die Hilfe zur Selbsthilfe geht. Groß geworden ist das Thema in den 1970er, 1980er Jahren. Da gab es die Euphorie, ein Instrument gefunden zu haben, das Armut wirklich ausrotten kann. Im Jahr 2005 wurde sogar das Internationale Jahr der Mikrofinanz ausgerufen, und ein Jahr danach hat Muhammad Yunus den Nobelpreis erhalten. Dann kamen die ersten Schattenseiten, es gab Probleme mit Überschuldung, die Menschen sogar in den Selbstmord getrieben hat, insbesondere in Indien. Da hat man erkannt, dass man sich von den ursprünglichen Zielen der Armutsausrottung verabschieden und genau hinsehen muss, was Mikrofinanzierungen wirklich können.

Aigner: Und was ist das im Konkreten?

Hagmann: Menschen den Zugang zu einer Finanzierung ermöglichen, die diesen ansonsten nicht hätten. Das kann diesen Menschen ganz neue Perspektiven eröffnen. Denn die Institutionen vor Ort stellen nicht nur das Geld zur Verfügung, sondern auch Empowerment im Sinne von Beratung und Begleitung der Kundinnen und Kunden. Es geht auch um Financial Literacy, also zu verstehen, was es bedeutet, einen Kredit aufzunehmen. Im besten Fall ermöglicht ein Kredit, das Leben selbst in die Hand zu nehmen und damit eine gewisse Unabhängigkeit zu erreichen. 86 % der Finanzierungen von Oikocredit gehen übrigens an Frauen und ihre Geschäftsideen, weil wir eben sehen, dass für Frauen der Weg zur finanziellen Unabhängigkeit sehr hart und sehr schwer ist – nicht nur in den Entwicklungs- und Schwellenländern, aber insbesondere auch dort. Indem wir diese Frauen mit speziellen Finanzprodukten unterstützen und sie darüber hinaus begleiten, beraten, gemeinsam mit ihnen einen Geschäftsplan entwickeln und Netzwerke schaffen, bei denen neue Kooperationen entstehen, verbessern wir die Lebensrealität der Frauen deutlich und helfen ihnen zu mehr Selbstbestimmtheit. Und außerdem ist auch erwiesen, dass die meisten Frauen das Geld, das sie verdienen, nicht für sich, sondern für Ernährung, Gesundheit und Ausbildung ihrer Kinder ausgeben, was wiederum eine positive Auswirkung auf die Gesellschaft hat.

Aigner: Frau Barschdorf-Hager, CARE hat im Bereich Mikrofinanzierungen ebenfalls eigene Programme. Die dahinterstehenden finanziellen Mittel dafür werden aber von den Menschen vor Ort selbst aufgebracht. Wie funktioniert das?

Andrea Barschdorf-Hager: Bei diesen Programmen hilft CARE den Ärmsten der Armen. Das sind laut Definition der Weltbank Menschen, die am Tag weniger als 1,90 US-Dollar zur Verfügung haben. Um diese Menschen zu unterstützen und sie finanziell unabhängiger zu machen, werden von CARE auf lokaler Ebene Projekte konzipiert, die über Kleinstkredite finanziert werden. Halten diese Projekte Machbarkeitsstudien und Due-Diligence-Prüfungen stand, können sie realisiert werden. In der Folge werden direkt dort, wo die Projekte umgesetzt werden, Kleinspargruppen, sogenannte Village Savings and Loan Groups, gebildet. Das passiert unter Mithilfe und Beratung unserer Teams vor Ort oder durch Partnerorganisationen. Die Mitglieder der jeweiligen Kleinspargruppe bringen dann regelmäßig Kleinstbeträge – wir reden hier von 10, 20 Cent – in das Gemeinschaftsvermögen ein. Aus den gemeinsamen Ersparnissen werden dann Kleinstkredite vergeben, die durchschnittlich mit rund 10 % verzinst sind und wieder zurückgezahlt werden müssen. Die Rückzahlungen und die Zinsen kommen dann wieder der gesamten Gemeinschaft zugute.

Aigner: Wie hoch ist der Frauenanteil in diesen Kleinstspargruppen und wie hoch ist die Rückzahlungsquote?

Barschdorf-Hager: Im Durchschnitt liegt der Anteil an Frauen weltweit bei ungefähr 85 %. Etwa ein Viertel davon sind jüngere Frauen. Das Bemerkenswerte an diesen Projekten ist, dass überhaupt kein Geld von außen kommt und auch die Verwaltung von den Mitgliedern der Spargruppen selbst erfolgt. Da werden meistens zwei bis drei vertrauenswürdige Personen, die lesen und schreiben können, ausgewählt, und die verwalten dann das Geld. Vor Ort gibt es seitens CARE eine Art Business-Beratung, unter anderem auch dazu, welche Geschäftsideen Sinn machen. Dann wird beispielsweise ein Schaf angeschafft, Milch verkauft und Wolle gewonnen. Die Rückzahlquote liegt zwischen 85 und 100 %. Auch das wird begleitet. Wenn es zu Schwierigkeiten kommt, regelt das die Gemeinschaft. Das heißt, es wird auch die Solidarität der Gemeinschaft gestärkt. Das ist eine weitere Dimension. Weltweit haben wir in 59 Ländern 8,5 Millionen Menschen in derartigen Kleinstspargruppen. Sie setzen jährlich 500 Millionen US-Dollar um. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2030 50 Millionen Menschen in solche Gruppen zu bringen. Wir sehen, dass diese Spargruppen ein wirklich gutes Mittel sind.

Aigner: Gelingt es, die Situation der Frauen auch in Hinblick auf ihre Stellung in der Gesellschaft langfristig zu verbessern, oder werden mit den Krediten neue Abhängigkeiten geschaffen, wie Kritiker gerne einwerfen?

Barschdorf-Hager: Ein Beispiel: Jordanien ist wirtschaftlich im Vergleich zu vielen anderen Ländern, in denen wir tätig sind, ein gut entwickeltes Land. 20 % der Frauen sind erwerbstätig. Aber nur 2 % dieser 20 % verfügen über ein Mitspracherecht darüber, was mit ihrem Einkommen geschieht. Der Anspruch all dieser Mikrofinanzinstitutionen ist es – unabhängig von der Größe des Kredits –, mit dem wirtschaftlichen Empowerment auch menschenrechtliche Aspekte zu verbinden. Das heißt in dem Fall, zu vermitteln, dass, wenn ich das Geld verdiene, ich auch mitrede, was damit geschieht. Das umzusetzen in den traditionellen Gefügen, in denen wir tätig sind, ist eine Herausforderung. Spielt bei der genannten Ermächtigung aber eine wichtige Rolle. Die Zahl der absolut Armen ist seit 1980 um mehr als 36 % gesunken. 85 % der kleinsten Spargruppen gibt es auch noch nach 5 Jahren. In Ruanda haben wir gemessen, dass 43 % der teilnehmenden Frauen innerhalb von drei Jahren ein kleines Geschäft errichtet haben, mit dem sie einen wichtigen Beitrag zum Familieneinkommen leisten und ihre Kinder in die Schule schicken können. Und noch eine Zahl aus Uganda: Das Haushaltseinkommen ist innerhalb von drei Jahren um 60 % gestiegen, wenn eines der Haushaltsmitglieder in einer Village Savings and Loan Group ist. Die Menschen vor Ort entwickeln ihre sozialen und wirtschaftlichen Fähigkeiten selbst.

Aigner: Herr Müller, Ihr Unternehmen BlueOrchard verwaltet verschiedene Impactfonds, die in die erwähnten Mikrofinanzinstitute vor Ort investieren. Wie gelingt es, so ein komplexes Thema in ein Anlageprodukt zu verpacken?

Philipp Müller: Wir verwalten im Bereich Private Debt mehrere Mikrofinanzfonds, unter anderem den weltweit größten und ältesten kommerziellen Mikrofinanzfonds, der mittlerweile ein Volumen von mehr als zwei Milliarden US-Dollar hat. Um das seriös und glaubwürdig zu betreiben, haben wir in lokalen Büros Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stationiert, beispielsweise in Lateinamerika und Afrika. Darüber hinaus halten wir enge Beziehungen zu multinationalen Organisationen. Wichtig ist, einen sehr professionellen Portfoliomanagement-Ansatz zu verfolgen. Man braucht eine viel stärkere Diversifizierung als bei anderen Portfolios. In unserem Flaggschifffonds sind Anlegerinnen und Anleger in mehr als 150 Mikrofinanzinstitutionen in über 50 Ländern investiert.

Aigner: Eine wirklich sehr breite Streuung.

Müller: Auch wenn das allenfalls nach Überdiversifizierung aussehen mag, ist das natürlich nicht der Fall. Denn wenn man das Exposure eines Investments aktiv limitieren will, hat man dadurch auch verschiedene Instrumente zur Verfügung, um dem Liquiditätsbedarf des Fonds gerecht zu werden: Unterschiedliche Darlehensstrukturen, unterschiedliche Laufzeiten, man hat Darlehen, die einen angepassten Rückzahlungsrhythmus haben und die sich amortisieren. Das gewährleistet, dass man die Liquidität des Fonds jederzeit bedienen kann. Dass wir unser Portfolio schon vor Jahren aufgebaut haben, hilft natürlich auch.

Aigner: Sie haben davon gesprochen, dass Sie auch in den Ländern selbst Mitarbeitende haben?

Müller: Ja, im Grunde haben wir drei große Teams. Das Investitionsteam, das in diesen Ländern unsere Investitionspartner auswählt und mit diesen auch laufend in Kontakt steht. Es ist für das Sourcing der Investitionen zuständig. Unser Analyseteam prüft – nach einem systematischen Prozess – zum einen die Qualität der Gegenparteien und zum anderen den Impact anhand von Kennzahlen. Es agiert wie eine Ratingagentur. Im Risikomanagement, dem dritten Team, werden Risiken ausgelotet. Dieses Team ist unter anderem auch mit den lokalen regulatorischen Vorschriften sehr gut vertraut. Vergangenes Jahr haben wir mehr als 1,4 Milliarden US-Dollar in Schwellenländern investiert. Die Transaktionsgröße liegt bei ca. 5–7,5 Millionen US-Dollar. Wir arbeiten ganz gezielt mit lokalen Mikrofinanzinstituten und machen Onsite Diligence, das heißt, wir gehen in die Filialen dieser Institutionen, die am weitesten weg vom Hauptquartier sind, und hinterfragen dort, wie beispielsweise die Mikrokredite erklärt werden, wie die Dokumentation dazu aussieht und welche Hilfestellung sie den Kreditnehmerinnen und -nehmern geben.

Aigner: Welche Mikrofinanzinstitute kommen für ein Investment in Frage?

Müller: Das sind zum einen sehr kleine Institute, NGOs, aber auch mittelgroße Tier-1- oder Tier-2-Mikrofinanzinstitute. Hier arbeiten wir meist mit Entwicklungsbanken zusammen und haben dezidierte Impact-Portfolios. Wir investieren aber auch in große, etablierte Institutionen, vor allem durch unseren Publikumsfonds. Uns ist wichtig, Kapitalströme in diese Länder zu leiten und den Menschen zu helfen, sich aus eigener Kraft aus der Armut herauszuarbeiten. Diese finanzielle Inklusion ist ein sehr wichtiges Instrument. Aber es ist natürlich nicht ein Allheilmittel. Es ist ein Werkzeug in einem Werkzeugkasten, aber ein äußerst wichtiges.

Aigner: Welche Bedeutung hat Impact Investing für die internationale Asset-Management-Industrie?

Waltraud Probst: Nachhaltiges Investieren hat in den letzten Jahren einen gewaltigen Schub bekommen. Zum Jahresende 2021 waren 42 % der gesamten Veranlagungen im europäischen Raum nachhaltig, wenn man nach der Klassifizierung nach Artikel 8 und 9 Offenlegungs-Verordnung geht. Bei den reinen Impact-Veranlagungen ist das Wachstum noch geringer und es wird aktuell noch von ökologischen Kriterien getrieben und weniger von sozialen oder Governance-Themen. Diese beiden Dimensionen haben noch starken Aufholbedarf. Dabei wäre es sehr wichtig, auf Impact zu setzen und nicht nur auf ESG-Integration. Das macht einen wesentlichen Unterschied, denn nur wenn auch der Wirkungsgedanke eine Rolle spielt, werden Reports erstellt, die Auskunft darüber geben, welche Auswirkungen die Mikrofinanzierung für die Mikrokreditempfängerin oder den -empfänger hat.

Aigner: Das Messen der Wirkung und ihre glaubwürdige Darstellung sind eine Herausforderung, für Investoren aber essenziell.

Probst: Ja, wir brauchen Indikatoren für die Produktivität und die Wirkungskette, also die Auswirkungen auf die Familie, auf das Dorf, auf das Land. Das schlüssig dargestellt zu bekommen, ist für uns Investorinnen und Investoren ein sehr wichtiger Aspekt. Zwar gibt es schon sehr viel Reporting, aber in dieser Hinsicht muss noch nachgeschärft werden. Wenn es beim Impact Investing um die ökologische Wirkung geht, kann man beispielsweise sehr gut darlegen, wie viel CO2 eingespart wird oder wie viele Häuser im jeweiligen Land beheizt werden können. Es wäre sehr schön, wenn wir auch im Bereich Mikrokreditinvestitionen ähnlich anschauliches Zahlenmaterial bekommen könnten, um eine Vorstellung von der Wirkung zu erhalten. Wir befinden uns hier in einem sehr gut industrialisierten Umfeld. Vielen ist gar nicht bewusst, dass es in vielen Teilen der Welt sehr schwer ist, einen Kredit zu bekommen, insbesondere für Frauen.

Aigner: Wie kann man den Impact, den es ja ganz offensichtlich gibt, messen? Mit welchen Hindernissen ist man in der Praxis konfrontiert?

Hagmann: Die Wirkungsmessung ist mit Sicherheit ein ganz wichtiges Thema, weil die Investoren zu Recht genau wissen wollen, was mit ihrem Geld geschieht. Die Investoren von Oikocredit erwarten von ihrem Investment keine Gewinnmaximierung, ihnen ist die soziale Rendite viel wichtiger. Wir nehmen das Thema sehr ernst und veröffentlichen jedes Jahr einen Wirkungsbericht mit aussagekräftigen Indikatoren. Was wir aber nicht vergessen dürfen, ist, dass der Impact von den kleinen Organisationen vor Ort gemessen werden muss. Diese Daten bei Kleinstkundinnen und -kunden zu erheben, ist mit viel Zeitaufwand für alle Beteiligten verbunden. Das kann schon sehr ins Detail gehen und wir sollten uns ganz genau Gedanken machen, was wir wirklich an Wirkung messbar machen können und wollen und wo eine Berichterstattung sinnvoll ist.

Barschdorf-Hager: Unsere Geldgeber erwarten von uns ein umfassendes quantitatives und qualitatives Reporting. Früher war der Fokus auf den quantitativen Messungen und die sind auch heute noch unglaublich wichtig. Das heißt, wie viele Menschen kann man erreichen? Wie schnell kann man wie viele Flüchtlinge notversorgen? Aber zunehmend werden auch qualitative Indikatoren miteinbezogen, die zu erheben natürlich sehr aufwändig ist, weil das eigentlich sozialwissenschaftliche Untersuchungen sind. Dafür braucht es auch Mitarbeitende mit entsprechender Ausbildung, damit die Erhebungen überhaupt in der gewünschten Qualität durchgeführt werden können. Es braucht auch Mikrokreditempfängerinnen und -empfänger, die bereit sind, nach einem Tag harter Arbeit darüber zu reden, ob und wie das ihr Familienleben verändert hat. Und zwar für die Frau, den Mann, die Kinder. Ob sie die Kinder in die Schule schicken. Wie lange diese in der Schule sind und, und, und.

Aigner: Wie sehen Sie das Thema von der anderen Seite. Transparenz spielt ja sicherlich eine wichtige Rolle auch für Ihre Kundinnen und Kunden?

Müller: Impact-Investoren erwarten eine transparente Kommunikation, sowohl in Bezug auf den Investitions- als auch auf den Impact-Managing-Prozess. Am Ende wollen sie wissen, welche Wirkung erzielt wird. Professionellen Investoren, wie Pensionskassen, Versicherungen oder auch Entwicklungsbanken oder anderen multilateralen Organisationen, geben wir bei Due-Diligence-Prüfungen einen sehr tiefen Einblick in unseren Investmentprozess und nicht selten kommen Vertreterinnen oder Vertreter sogar in unsere lokalen Büros und machen sich vor Ort ein genaues Bild. Wir veröffentlichen jährlich unseren Impact-Report, der Auskunft darüber gibt, welchen Impact wir erzielt haben: Anzahl der erreichten Endkundinnen und -kunden, KMUs, die wir finanziert haben, Jobs, die wir erhalten und geschaffen haben, und vieles mehr. Wir haben den Grundsatz, nach objektiven Kriterien erhebbare Daten zu messen. Die Datenqualität ist aus unserer Sicht sehr, sehr wichtig.

Aigner: In die Runde gefragt: Welche Impulse braucht die Mikrofinanzindustrie aus Ihrer Sicht?

Hagmann: Innovation und Weiterentwicklung sind aus meiner Sicht besonders wichtig. Oikocredit möchte in der neuen Strategie zum Beispiel Probleme nicht nur auf der individuellen Ebene angehen, sondern auch auf einer kollektiven. Damit soll die Widerstandskraft gegen Krisen auch auf der Ebene der Gemeinschaft gestärkt werden. Beim Thema Bildung hat Oikocredit erst vor kurzem gemeinsam mit Opportunity, einem Experten beim Thema Ausbildung, ein Konzept zur Finanzierung von Schulausbildung in einkommensschwachen Gegenden in Afrika auf die Beine gestellt. Dabei werden sowohl die Schulen als auch die Eltern der Schüler mit Krediten und Beratung unterstützt. Damit kann die Ausbildung der Kinder in unmittelbarer Nähe sichergestellt werden.

Barschdorf-Hager: Wir müssen die Sustainable Development Goals noch viel stärker in die Breite bringen, wenn wir die 17 Ziele bis 2030 erreichen wollen. Das gilt nicht nur für den globalen Süden, sondern für uns alle, auch in Europa. Im Sinne der Transparenz wäre es wichtig, Finanzströme nicht einfach bedingungslos umzulenken, sondern an die Einhaltung von Menschenrechten zu knüpfen. Hier sollte es seitens der EU, aber auch auf staatlicher Ebene keine Kompromisse geben.

Probst: Als professionelle Investorin wünsche ich mir, dass die soziale Rendite mehr Gewicht bekommt. Dazu brauchen wir eine bessere, wissenschaftsbasierte Datenlage. Denn erst dann werden wir Kapitalströme in entsprechende Investments umlenken können. Für die gesellschaftliche Entwicklung, für die politische Entwicklung, aber auch für die globale Entwicklung ist es essenziell, wie viel wirtschaftliche Möglichkeiten Frauen und Männer, einzelne kleinere Regionen, größere Regionen und ganze Kontinente haben.

Müller: Mein Anliegen wäre, Impact Investments noch viel stärker in die Breite zu bringen. Viele dieser Anlageklassen sind sehr spezialisiert und Privatanlegerinnen und -anleger haben noch nicht den gewünschten Zugang zu diesen Investments. Da könnte man noch sehr viel mehr erreichen.

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