Die International Labour Organization (ILO) hat sich mit den folgenden Fragen in einer kürzlich erschienen Studie im Detail auseinandergesetzt:

  • Wird es möglich sein, Abeitnehmer:innen von repetitiven administrativen Aufgaben für höherwertige Tätigkeiten freizuspielen?

  • Werden so viele Aufgaben automatisiert, dass es zu einer Massenarbeitslosigkeit kommen könnte?

  • Was bedeutet diese Entwicklung für die Ungleichheit im Verhältnis der entwickelten zur restlichen Welt und für die Geschlechtergerechtigkeit?

Zu diesem Zweck wurden für rund 7.500 Berufe Tätigkeitsprofile bzw. Aufgaben definiert, die wiederum nach ihrem Automatisierungspotenzial bewertet wurden. So wurde beispielsweise das Berufsbild Volksschullehrer:in auf Tätigkeiten wie – vereinfacht dargestellt – Stundenvorbereitung, Wissensvermittlung, Kreieren eines geeigneten Lernumfeldes, Abhalten von Elternabenden usw. heruntergebrochen. Während viele dieser Aufgaben offenkundig ein geringfügiges Potenzial für Assistenz oder Durchführung durch LLM haben, kann zum Beispiel die Erstellung des täglichen und längerfristigen Stundenplanes unterstützt und damit effizienter gestaltet werden.

Jobs mit Potenzial zur Automatisierung

Berufsfelder, die nach dieser Einstufung besonders stark automatisiert werden könnten, sind administrative und kommunikative Aufgaben sowie Kund:innenservices wie Terminvereinbarungen, Korrespondenz, Übersetzungen, Bearbeitung von Kund:innenanfragen oder auch datenbezogene Aufgaben wie buchhalterische Tätigkeiten von Rechnungserstellung bis Zahlungskontrolle.

Durch die Bewertung der einzelnen Aufgaben konnte auch eine hohe Anzahl an Berufen identifiziert werden, die sowohl Tätigkeiten umfassen, die nur geringfügig, als auch solche, die in hohem Ausmaß automatisiert werden könnten. Für diese Berufe wird ein beträchtliches Potenzial für Unterstützung durch LLMs erwartet. Dabei handelt es sich zum Beispiel um den Lehrberuf, medizinische, technische und juristische Berufe, Softwareentwicklung und -analyse.

In einem weiteren Schritt analysierten die Expert:innen der ILO den weltweiten Anteil dieser Berufe nach verschiedenen Einkommensgruppen und ihrer Verteilung zwischen Frauen und Männern. Der als potenziell vollständig automatisierbar definierte Beschäftigungsanteil insgesamt wird als sehr moderat eingestuft, es gibt aber deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

Frauen sind stärker betroffen

Frauen werden – und dies kann auf deren vergleichsweise hohen Beschäftigungsanteil an buchhalterischen und Sekretariatstätigkeiten zurückgeführt werden – vor allem in den höheren Einkommensanteilen überproportional von Automatisierung und damit der Wahrscheinlichkeit des Jobverlusts betroffen sein.

KI Assistenz- und Automatisierungspotenzial (Anteil an Beschäftigung in %)
KI Assistenz- und Automatisierungspotenzial (Anteil an Beschäftigung in %)

Regionale Unterschiede

Regional betrachtet, ist die Möglichkeit des Einsatzes von LLMs in den entwickelten Ländern schon allein wegen des erforderlichen Energieeinsatzes und Zugangs zum Internet deutlich höher einzuschätzen als in der restlichen Welt. Einzelne Länder wie Indien und die Philippinen könnten sehr stark durch das Verschwinden von Callcenter betroffen sein.

Die Arbeit wird uns also wahrscheinlich nicht ausgehen. Automatisierungspotenzial wird nie in vollem Ausmaß ausgeschöpft und auch das Entstehen neuer Berufsfelder – wie es historisch etwa im Bereich des Webmarketings der Fall war – ist überhaupt noch nicht absehbar.

ChatGPT und andere LLMs sind aber jedenfalls gekommen, um zu bleiben, und werden in manchen Berufsfeldern disruptiv wirken. Umso wichtiger ist es für uns als Gesellschaft, auf veränderte technologische Rahmenbedingungen zu reagieren, negative Effekte einzudämmen und Chancen zu realisieren.

Sabine Macha

Autorin

Mag.a Sabine Macha, Leitung Produktmanagement Raiffeisen Kapitalanlage GmbH

Mehr zum Thema "Arbeitsmarkt und Regulierung" erfahren Sie auch in unserer Expertendiskussion "Über die Notwendigkeit, künstliche Intelligenz zu regulieren".

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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