Round-Table-Diskussion unter der Moderation durch Mag. (FH) Dieter Aigner, Geschäftsführer Raiffeisen KAG sowie den Expert:innen

  • Mag. Andreas Drescher, Program Manager Carbon Reduction (RHI Magnesita), Wien

  • Dr. Wolfgang Hribernik, NEFI-Verbundkoordinator und Head of Center for Energy (Austrian Institute of Technology), Wien

  • Mag.a Elvira Lutter, Leiterin der internationalen „Net-Zero Industries“-Mission (Klima- und Energiefonds) Wien

  • Mag. Wolfgang Pinner, Leiter Corporate Responsibility (Raiffeisen KAG), Wien

„Ohne Schwerindustrie wird Net Zero nicht funktionieren!“

Frau Lutter, geht es nach der EU, soll die energieintensive Industrie bis 2050 vollständig auf fossile Energien verzichten und klimaneutral werden. Wie wird dieses Anliegen in Österreich auf politischer Ebene forciert?

Elvira Lutter: Seitens der EU-Kommission gibt es den Green Deal. Dabei geht es darum, eine ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft zu schaffen, die bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt und ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt. Eine Idee, die ursprünglich von Barack Obama stammte. In Österreich tut sich aktuell sehr viel. Vor kurzem hat das Klimaschutzministerium die Klima- und Transformationsoffensive für die Transformation der Industrie gestartet, die sich an Unternehmen der produzierenden Industrie, insbesondere Unternehmen im ETS (kurz für EU Emissions Trading System) richtet, also solche, die Emissionshandel betreiben. Dabei stehen rund 3 Mrd. Euro bis 2030 zur Verfügung.

Was wird hier konkret gefördert?

Elvira Lutter: Die Mittel sollen für die Umsetzung von Anlagen bereitgestellt werden, die einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Industrie leisten. Ein kleinerer, aber für österreichische Verhältnisse doch beträchtlicher Betrag von rund 240 Millionen wird für ein Forschungs- und Innovationsprogramm eingesetzt. Da geht es darum, Pilotanlagen zu entwickeln und zu bauen, die dann industriell hochskaliert werden. Neu ist, dass es eine Schnittstelle zwischen den beiden Programmen geben wird. Ziel ist es, Innovationen „Made in Austria“ in die Umsetzung zu bekommen. Österreich hat sehr viele Anlagenbauer.

… die weltweit sehr erfolgreich sind.

Elvira Lutter: Ja, ich erwähne hier immer gerne das Linz-Donawitz-Verfahren, dessen Grundlagen von einem Schweizer in den 1930er-Jahren geschaffen wurden und das von der voestalpine in den 1950er Jahren fertig entwickelt wurde. Die ersten Anlagen wurden hier in Österreich gebaut. Bis vor kurzem wurden weltweit 70 Prozent des Stahls mit diesem Verfahren hergestellt und die voestalpine hat sehr viel an Lizenzeinnahmen dafür bekommen. (Siehe Unternehmen im Fokus der Nachhaltigkeit: voestalpine.) An diesem Beispiel sieht man, welche Bandbreite man als Land hat, wenn man Innovationen stärkt: Es fördert die Dekarbonisierung vor Ort, man generiert extrem viel Wertschöpfung, man kann die Technologie ins Ausland verkaufen und leistet darüber hinaus auch einen enorm wichtigen Beitrag für den Klimaschutz, und das weltweit. Ohne Schwerindustrie wird Net Zero nicht funktionieren, weil der Anteil der Schwerindustrie bei den CO2-Emissionen einfach zu hoch ist und die Produkte, die sie herstellt, überhaupt die Voraussetzung für die Erreichung der Klimaneutralität sind: Stahl für Windräder, Komponenten für Leitungen, Feuerfestmaterialien für neue Hochöfen, die mit Wasserstoff funktionieren etc.

"Technologiesouveränität müssen wir in Europa noch viel aktiver adressieren"

Herr Hribernik, NEFI (kurz: New Energy for Industry) bündelt das Know-how aus Wissenschaft, Technologieanbietern und Unternehmen, um damit die Dekarbonisierung der Industrie zu erreichen. Vor kurzem haben Sie dazu eine Studie präsentiert, die drei Szenarien zur Klimaneutralität der Industrie darlegt.

Wolfgang Hribernik: Ja, wir haben uns in der Studie genauer angesehen, wie Transformationspfade hin zu Klimaneutralität bis 2050 aussehen könnten. Für die Entwicklung der Szenarien, in die auch unsere Industriepartner sehr stark eingebunden waren, haben wir die produzierende Industrie in dreizehn Teilsektoren gegliedert, die neben den energieintensiven Sektoren wie Eisen und Stahl oder Chemie, auch nicht-energieintensive wie das verarbeitende Gewerbe umfassen. In mehreren Schritten wurden industrielle Daten über Energieverbrauch, Brennstoffe und Potenziale zur Effizienzsteigerung erhoben und in drei Szenarien erfasst.  Um Klimaneutralität zu erreichen, muss die Industrie von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdgas oder Öl so schnell wie möglich auf klimaneutrale und erneuerbare Energiequellen umsteigen.

Welche Szenarien gibt es dazu?

Wolfgang Hribernik: Auf die einzelnen Szenarien im Detail einzugehen, würde hier zu weit führen, was aber anhand der Daten nochmals sehr deutlich sichtbar wurde ist, dass bei der Transformation des Industriesektors der Elektrifizierung auf Basis von erneuerbarem Strom eine Schlüsselrolle zukommt. Aktuell werden 20 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der österreichischen Industrie mit elektrischer Energie gedeckt – das entspricht rund 27 Terawatt-Stunden (TWh). Aus der Studie geht hervor, dass etwa 49 TWh Strom für Endenergieanwendungen – ohne zusätzlichen Strombedarf für die Wasserstoff-Elektrolyse – benötigt werden, um industrielle Klimaneutralität zu erreichen. Neben der allgemeinen Elektrifizierung, wie dem Einsatz von Wärmepumpen, geht dieser Anstieg vor allem auf das Konto von Elektrolichtbogenöfen und Anlagen zur CO2-Abscheidung in den Sektoren Eisen und Stahl sowie nichtmetallische Mineralien. Wenn man zusätzlich auch noch den gesamten Wasserstoffbedarf in Österreich durch Elektrolyse einbezieht, steigt der Gesamtstrombedarf für die industrielle Produktion im dritten, dem Zero-Emissions-Szenario, auf 116 TWh. Zudem werden für eine rasche Implementierung der neuen Technologien gezielte Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsprojekte gemeinsam mit den Industriebetrieben notwendig sein. Für die Bereitstellung des hohen Energiebedarfs von 172 TWh im Zero-Emission-Szenario, vorrangig für Strom, Wasserstoff, Biomasse und natürliche Gase, ist der Ausbau der Energieinfrastruktur essenziell. Dazu gehören leistungsfähige Strom- und Gasnetze – inkl. Wasserstoff bzw. dessen Derivate – sowohl für den inländischen als auch für den grenzüberschreitenden Transport.

Das ist eine Herkulesaufgabe. Innovationen werden dabei auch eine wichtige Rolle spielen, wie gut ist Österreich bei diesem Thema?

Wolfgang Hribernik: Ich sehe im Rahmen unserer Projekte, dass wir in Österreich eine sehr hohe Kompetenz in der Systemintegration von Technologien haben. Das betrifft vor allem digitale Technologien, die in industriellen Prozessen sehr, sehr stark auf die Themen Effizienz und Flexibilisierung einzahlen. Ein wichtiges Stichwort in dem Zusammenhang ist auch die Technologiesouveränität. Dieses Thema müssen wir in Europa, als Gesellschaft, als Wirtschaftsstandort, noch viel aktiver adressieren. Und zwar in verschiedenen Bereichen, nicht nur in der Industrie, auch in der Bildung, in der Wirtschaftspolitik und so weiter.

Elvira Lutter: Die öffentliche Hand ist hier auch gefordert. Sie muss Innovation und Forschung finanziell unterstützen. Denn es geht naturgemäß auch um sehr, sehr viel Geld und hohes technisches Risiko, wenn eine Anlage beim Hochskalieren etwa nicht so funktioniert, wie sie sollte. Wenn bei der Finanzierung nicht nur öffentliches Geld fließt und Finanzinstitute mitfinanzieren, müssen diese in der Lage sein, die Risiken bewerten zu können. Hier muss es schon sehr früh einen Austausch geben. Die Projekte müssen bankfähig sein und bewertet werden können, das ist ein wichtiger Aspekt für die Finanzierung.

Auch die RHI hat das hehre Ziel von Netto-Null-Emissionen. Welche Erfahrungen machen Sie gerade und wie wollen Sie Net Zero erreichen?

Andreas Drescher: Ja, wir haben uns als Konzern dieses Ziel gesetzt, wobei wir unser externes Commitment schrittweise anpassen und insgesamt vorsichtig vorgehen. Es gibt andere Konzerne, die in ihren Verpflichtungen noch ambitionierter sind und das bereits als Vorgabe nach außen kommunizieren. Wir haben für 2025 als Ziel definiert, auf Basis der Daten von 2018, unsere CO2-Emissionen um 15 Prozent zu reduzieren und folgen einer Roadmap, die 2050 mit Net Zero endet. Wenn uns vieles gelingt, dann können wir unser Ziel schneller erreichen, aber vieles hängt auch von den globalen Entwicklungen ab. Wir planen bottom up und kommittieren uns gegenüber Shareholdern und Stakeholdern erst dann, wenn wir wirklich wissen, dass und wie sich unsere Ziele umsetzen lassen. Von unseren Hauptaktionären gibt es hierfür eine starke Rückendeckung für diesen Pfad.

Die RHI produziert sehr energieintensiv. An welchen Stellschrauben beginnt man da zu drehen?

Andreas Drescher: Wir haben jetzt einmal drei Schritte in unserer Roadmap festgelegt. Wir brauchen leider wahnsinnig viel Energie, die heute noch zum Großteil auf fossilen Brennstoffen basiert. Das ist, dort wo möglich, Gas. Wir produzieren weltweit. Nur rund ein Zehntel unserer CO2-Emissionen erfolgen in Europa. Aber für Österreich ist das viel – innerhalb Europas emittieren wir in Österreich am meisten CO2-Emissionen, weil wir hier sehr starke Rohstoff-Standorte haben. Im ersten Schritt setzen wir konventionelle Maßnahmen. Dazu zählt, dass wir dort, wo es möglich ist, einen Fuel Switch machen – z. B. in Brasilien weg von Schweröl. Dort bauen wir seit Jahren eine Pipeline. Wenn diese fertig ist, können wir auf Gas umstellen. Auch an anderen Standorten versuchen wir, Gas anstelle von Öl einzusetzen und dort wo verfügbar, Grünstrom. Das ist nur noch in Indien und in den USA schwierig, da dieser dort praktisch nicht zur Verfügung steht. Die zweite Maßnahme ist die Elektrifizierung. Da stoßen wir aber an gewisse Grenzen. Konkret liegt diese bei 1.000 Grad Celsius. – Aus unserer Sicht die Stärke „lauwarm“. Unterhalb dieser Grenze kann man die Prozesse gut elektrifizieren. Doch mitunter geht bei der Kalzinierung und Versinterung die Wärme in den Drehrohren auch auf 1.200 – 1.600 Grad hinauf. Und da komme ich mit der Elektrifizierung nicht mehr zurecht. Wir schauen uns das an, sind aber mit der Weiterentwicklung noch nicht einsatzbereit. Als dritte konventionelle Maßnahme versuchen wir, unsere Abwärme zu nutzen und keine Energie zu verlieren.

Über diese konventionellen Maßnahmen hinaus verfolgen Sie ja sicherlich auch noch andere Konzepte für die Zielerreichung?

Andreas Drescher: Da kommen wir zu Schritt zwei und somit zu CCUS, Carbon Capture Utilization Storage, also die Weiterverarbeitung und Speicherung von CO2-Emmissionen. Das ist mein besonderes Steckenpferd gemeinsam mit Schritt drei, dem Einsatz von Wasserstoff. Beide werden auf der Zeitachse unseres Pfades erst später eine bedeutendere Rolle spielen. Vieles ist da noch offen, aber ich bin optimistisch, dass wir über die österreichische Wasserstoff-Importallianz gemeinsam den Import von Wasserstoff bis 2028–2030 zustande bringen. Das ist eine großartige Sache. Wir werden sehen, ob es uns gelingt und ob auch die Kosten, zu denen das möglich sein wird, international konkurrenzfähig sein werden. Was für uns als globales Unternehmen extrem kritisch ist, ist die Tatsache, dass wir in Europa – in Österreich – sehr viel produzieren, davon aber fast 70 Prozent ins EU-Ausland, also außerhalb von der EU, gehen. Das europäisches CO2-Grenzausgleichssystem CBAM – ist für uns sehr herausfordernd. Es hilft uns zwar im innereuropäischen Handel, macht für uns aber den Export aus Europa hinaus, sehr schwierig. Hinzu kommt, dass wir – so wie auch die Zementindustrie – so genannte geogene Emissionen haben. Mehr als 50 Prozent unserer CO2-Emissionen kommt aus den Rohstoffen Magnesit und Dolomit. In der Zementindustrie ist es der Kalk. Auch wenn wir gänzlich von fossilen Brennstoffen wegkommen, diesen Anteil werden wir immer haben. Da hilft uns nur Carbon Capture Utilization Storage.

Wolfgang Pinner: Mich würde interessieren, welchen Stellenwert die Weiterverarbeitung und Speicherung von CO2-Emmissionen in Zusammenhang mit Net Zero eingeräumt wird. Wurde das auch in der genannten Studie von NEFI -New Energy for Industry berücksichtigt?

Wolfgang Hribernik: Es gibt Industriezweige mit Hochtemperaturprozessen und prozessbedingten Emissionen, wo nicht viel anderes möglich ist und das ist der Industrie auch bewusst. Die technischen Lösungen und die Szenarien unterscheiden sich im Wesentlichen nach der Technologie, die zum Einsatz kommt und natürlich auch von der Nutzungsseite. In unseren Szenarien geht die Nutzung von Kohlenstoff sehr stark in die Chemische Industrie, beispielsweise zum Synthetisieren von Kohlenwasserstoffen. Es ist auf jeden Fall so, dass das Bewusstsein da ist, dass wir die Weiterverarbeitung und Speicherung von CO2-Emmissionen (CCUS) brauchen und auch die Technologien dazu bekannt sind. In der öffentlichen Diskussion der Entscheidungsträger:innen –  Stichwort CCS-Verbot in Österreich – schaut man auf das Thema nicht so gerne hin. Doch inzwischen gibt es auch hier Bewegung, sowohl legistisch als auch in Hinblick auf die Infrastruktur. Ich bin der tiefsten Überzeugung, dass CCUS genauso in eine integrierte Infrastrukturplanung gehört wie Wasserstoff, CO2 und Strom. Das ist auch gleichzeitig eine Schwäche, die wir haben: Wir planen Stromnetze in Österreich in einer sehr sektoralen Denke und planen diese nach Erzeugungsszenarien und nicht nach Last. Es braucht aber einen kompletten Paradigmenwechsel hin zu der integrierten Betrachtung, nämlich den Verbrauchsentwicklungen und den Sektor-Kopplungspunkten, die wir haben müssen. Und erst dann können wir die Energienetze planen. Wie wir das im Föderalismus umsetzen werden, ist wieder eine andere Geschichte. Ich denke, dass wir, was die Planungsgrundlagen für die Infrastruktur betrifft, immer eineinhalb Schritte zurück sind, nach einem Bedarf, den wir ganzheitlich betrachtet, hätten.

Elvira Lutter: Ich kann bestätigen, dass es da Bewegung gibt. Im bereits erwähnten Förderprogramm ist diesmal auch die Kohlenstoffspeicherung explizit als Themenschwerpunkt angeführt. Davor war das zwar zu Forschungszwecken erlaubt, aber jetzt können im Rahmen.

Andreas Drescher: Die RHI arbeitet an einem CCUS-Verfahren, das sehr gut zu Österreich passt, bei dem wir den Kohlenstoff, den wir im Abgas haben, in ein Industriemineral umwandeln können. Das ist eines unserer größten Projekte. Wir machen das gemeinsam mit der Universität Leoben und einem australischen Partner. Das könnte eine der größeren Anlagen werden, was die CO2-Abscheidemengen betrifft. Das CO2 ist dann fix gebunden und reagiert auch nicht mehr. Da braucht es dann keine unterirdische Speicherung mehr oder spezielle Standorte für die Lagerung. Unsere Partner in Australien planen derzeit bei einer ihrer eigenen Anlagen an der industriellen Hochskalierung – wobei unsere gemeinsame Anlage dann noch größer wird. Aber was man jetzt schon sieht, ist, dass dort für den Bau sehr viele Einzelkomponenten benötigt werden. Und die kommen größtenteils aus Europa, von der Mahlmühle angefangen bis hin zu Filteraggregaten, europäische Technologie ist weltweit immer noch extrem wichtig und die österreichische Industrie mit ihren Standorten in ganz Europa, kann im europäischen Verband sehr viel Technologie und Know-how beim Anlagebau einbringen. Da ist sehr viel da und ich sehe das auch im internationalen Kontext, dass gerne auf unsere Technologie zurückgegriffen wird.

"Nachhaltige Geldanlagen sind im Mainstream angekommen"

Als aktiver Asset-Manager kann man Unternehmen auf diesem Weg hin zu Net Zero begleiten und durch Investments unterstützen. Teilweise ist das eine Gratwanderung, da diese Unternehmen ja noch nicht nachhaltig sind, sich aber in diese Richtung verändern – wie geht man damit um?

Wolfgang Pinner: Ja, das ist ein zweischneidiges Schwert. Natürlich wollen wir auf der einen Seite die Transformation unterstützen. Das Umfeld für nachhaltiges Investment hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Nachhaltige Geldanlagen sind im Mainstream angekommen, was für uns als Vorreiter in dem Bereich natürlich sehr erfreulich ist. Mit dem starken Anwachsen des Marktes haben sich auch verschiedene Nachhaltigkeitsansätze, Investmentstile, entwickelt. Diese Marktbreite hat auch zur Folge, dass bei Unternehmen die Bereitschaft steigt, sich einem Transformationsprozess zu unterziehen, und nicht selten finanzieren börsennotierte Unternehmen diesen über die Aufnahme von Kapital an den Börsen, wo wir tätig sind. Auf der anderen Seite können Unternehmen, die sich in Transformation befinden oder vielleicht überhaupt erst am Anfang stehen, noch eine Vielzahl an Verstößen gegen ESG-Kriterien oder Kontroversen aufweisen. Und nicht alle Transformationsprozesse, die angekündigt werden, werden in dieser Form eingehalten, oder finden überhaupt statt. Das stellt für Investor:innen ein gewisses Reputationsrisiko dar. In einen Titel investiert zu sein, der erst am Beginn der Transformation steht, kann für den Asset Manager mit großem Schaden verbunden sein. Denn potenzielle Verstöße rufen Kritiker, Medien, NGOs auf den Plan, die saubere Investments sehen wollen.

Dieter Aigner: Wie löst man diese Diskrepanz, wenn man aufs Unterstützen nicht verzichten will?

Wolfgang Pinner: Wir handhaben das so, dass wir bei den Publikumsfonds sehr stringent die ESG-Kriterien anwenden. Bei institutionellen Anlegerportfolios besprechen wir das mit den jeweiligen Kund:innen und investieren dort, wo das deren Zustimmung findet, auch in Unternehmen, die sich noch in der Transformation befinden.

Vor einiger Zeit haben wir die Net Zero Asset Management Initiative unterzeichnet. Wozu verpflichten wir uns damit?

Wolfgang Pinner: Mit der Unterzeichnung verfolgen wir das Ziel von netto null Emissionen in unserem Portfolio. Dieses Ziel wollen wir bis 2050 erreichen. Auch wir haben Zwischenziele: 25 % weniger bis 2025 und 50 % weniger bis 2030. Das Ganze gilt für ein definiertes Portfolio, wo sich das gut rechnen lässt, also mit Aktien und Unternehmensanleihen, beginnend mit den Dimensionen Scope 1 und Scope 2 (Emissionen, die von den Tätigkeiten des Unternehmens selbst ausgestoßen werden) und später dann auch Scope 3 (vor- oder nachgelagerte Emissionen). Wir gehen auf Unternehmen zu und betreiben Engagement. Im Rahmen der Net Zero Asset Management Initiative haben wir uns dazu verpflichtet, mit den größten Verschmutzern, den größten CO2-Emittenten, Kontakt aufzunehmen. Zunächst werden wir uns natürlich mit den energieintensiven Branchen auseinandersetzen müssen, dem High-Priority-Sektor, das sind beispielsweise Öl und Gas, aber auch die Stahlindustrie. Wir passen die Positionen in unseren Investments unseren Emissionszielen an und treten mit den Verantwortlichen in den Unternehmen in den Dialog, damit wir gemeinsam weiterkommen und auch unterstützend sind. Viele Unternehmen sind – so wie die RHI – hier ja auch selbst initiativ und, wenn konkrete Handlungen damit verbunden sind, auch sehr glaubwürdig.

Was entgegnet man den Kritiker:innen, die hier Greenwashing unterstellen könnten?

Wolfgang Pinner: Dass jedes Commitment prinzipiell die Möglichkeit einer Grünfärberei in sich trägt, wenn man es nicht ernst nimmt und sich nicht daran hält. Dementsprechend sind Beitritte zu derartigen Klima- oder ESG-Initiativen für uns nur ein Teil, ein Puzzlestein in der Bewertung der Ernsthaftigkeit, mit der wir uns mit dem Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Wir nehmen es ernst. Wir wollen da weiterkommen. Wir haben jetzt die geeigneten Messgrößen und uns öffentlich dazu kommittiert. Jetzt müssen wir diesen Weg konsequent weitergehen.

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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