Herausforderungen und Chancen für Investoren

Für eine solide ESG-Bewertung bei Gebäuden müssen – von Anfang des Lebenszyklus eines Hauses bis zum Abriss – alle Komponenten einberechnet werden.

Das betrifft

  • die Wahl des Baustoffes,

  • die Nutzung des Gebäudes,

  • die Ansätze der Kreislaufwirtschaft

  • sowie den Rückbau.

Denn wie so oft gibt es bei der Einschätzung zur Nachhaltigkeit von Investitionsgütern kein eindeutiges Schwarz oder „Grün“. So sind beispielsweise emissionsintensive Baustoffe sehr langlebig, gar alternativlos für viele Bauprojekte. Ohne Zement wird es keine Windkraftwerke geben. Dennoch kann und muss nachhaltiger gebaut und gewohnt werden, wichtig ist jedoch, das „big picture“ nicht aus den Augen zu verlieren.

Viele Trends deuten auf einen steigenden Bedarf an Wohnraum hin

Eine wachsende Bevölkerung braucht mehr Raum zum Wohnen. Hinzu kommt, dass Familien kleiner werden und mehr Menschen allein wohnen. Auch Urbanisierung sowie der demographische Wandel befördern die Nachfrage nach Wohnraum. Städte wachsen und der Trend zu mehr Wohnfläche pro Kopf steigt ebenso. All diese Faktoren führen dazu, dass immer mehr gebaut wird. Laut Statistik Austria lagen die Baufertigstellungen bei Wohnungen im Jahr 2012 noch bei rund 50.000 neu errichteten Wohnungen pro Jahr, im Jahr 2021 waren es bereits rund 70.000, mit steigender Tendenz. Aus der Investorensicht sind das alles Indizien für einen wachsenden Sektor.

Wohnstrukturen schaffen guten sozialen Zusammenhalt und tragen wesentlich zum menschlichen Wohlbefinden bei. Adäquates Wohnen ist ein Grundbedürfnis für alle Menschen und daher ein wichtiger Beitrag zur Armutsbekämpfung. Neben dem Wohnbau wird ein großer Anteil der zur Verfügung gestellten Bauressourcen für Industrie, Infrastruktur und Verwaltung aufgewendet. Eine wachsende Wirtschaft und die Sicherstellung von Wohlstand sind ebenfalls Treiber der Bauwirtschaft.

Das Zurverfügungstellen von Gebäuden bringt jedoch eine Vielzahl an Problemen mit sich. Allen voran: hohe CO2-Emissionen.

Der Bau eines Massivhauses setzt ungefähr 40 Tonnen CO2 frei. Skaliert man diese Zahl auf europäische Ebene, so macht allein die Bauindustrie 9,4 % der heimischen CO2-Emissionen aus, wobei die Umweltfolgen der Nutzungsphase noch nicht einberechnet sind. Rund 40 % des Energiebedarfs der Europäischen Union sind auf die Nutzung von Gebäuden zurückzuführen und 38 % der globalen CO2-Emissionen gehen auf Gebäude zurück.

Im Hinblick auf die beschriebenen Herausforderungen sieht die EU-Initiative „Fit für 55“ vor, dass

  • bis 2030 alle Neubauten Nullemissionsgebäude sein müssen und

  • bis 2050 alle bestehenden Gebäude zu diesen umgewandelt werden sollen.

In Anbetracht dieser Zahlen ist es wichtig, nach alternativen Baustoffen Ausschau zu halten. Denn einer der geläufigsten und billigsten Baustoffe ist Beton.

Problemstoff Beton

Wenn man Beton als Baustoff benutzt, muss man den passenden Klebstoff verwenden, nämlich Zement. Für Massivbauten wird darüber hinaus Stahlbeton benötigt. Diese meist aus Kostengründen eingesetzten Baustoffe wirken sich besonders negativ auf die Emissionsbilanz einer Immobilie aus. Doch diese beträchtlichen Emissionen sind nicht das einzige Problem. Neubauten und die damit verbundenen straßenbaulichen Maßnahmen sind die größten Faktoren für die Bodenversiegelung. Ist der Boden einmal versiegelt, kann er nur mehr schwer begrünt werden – mit weitreichenden Folgen: Die Biodiversität wird eingeschränkt und Ökosysteme werden zerstört.

Bodenversiegelung

Die Bodenversiegelung führt darüber hinaus zu höheren Temperaturen, was mehr Hitzetage und Tropennächte im Jahr zur Folge hat. Das ist der Grund, warum sich 30 Grad Celsius Außentemperatur in Wien wesentlich wärmer anfühlen als in ländlicheren Gebieten. CO2 wird durch Bauprojekte nicht nur direkt emittiert, sondern durch die fehlende Grünfläche fällt gleichzeitig die pflanzliche Photosynthese – also die Umwandlung von Kohlendioxid in Sauerstoff – aus. Von 1995 bis 2021 ist die verbaute Siedlungsfläche Österreichs um 53 % gestiegen, dagegen die Bevölkerung nur um 12 %. Dadurch verliert Österreich unwiederbringlich rund 0,5 % seiner Agrarfläche jährlich.

Abfall Bauschutt

Wo Ressourcen verbraucht werden, entstehen Abfälle. Die Baubranche ist hauptverantwortlich für einen großen Anteil des globalen Mülls. Bei Abrissen bilden sich wortwörtlich Müllberge an Bauschutt. Beim Abfallaufkommen innerhalb der EU führt das Baugewerbe die Tabelle mit 36 % an, wobei ein großer Teil an Müll deponiert werden muss. Somit werden lange Transportwege gefahren und wiederum Boden versiegelt. Recycling gestaltet sich je nach Baustoff unterschiedlich, hat jedoch grundsätzlich großes Potenzial. So ist die Recyclingquote des Bauschuttes in Deutschland mit 75 % recycelten Materialien beachtlich. Andere Aspekte der Kreislaufwirtschaft, wie die Wiederverwendbarkeit von Baustoffen und die Langlebigkeit, bieten ebenfalls große Chancen.

Die Bauwirtschaft und ihre Umweltauswirkungen

Bauen der Zukunft

Die umfassenden Nachhaltigkeits-Risiken der Gebäudewirtschaft bedürfen einer vielseitigen Antwort. Technische Innovation muss mit Aspekten der Kreislaufwirtschaft und der idealen Baustoffwahl kombiniert werden.

Es bedarf eines pragmatischen Lösungsansatzes und nur die Verknüpfung von Maßnahmen kann zu einer zukunftsfähigen Bauwirtschaft führen. Der wichtigste Ansatzpunkt ist die Wahl des idealen Baustoffes. Für die Energiewende werden Beton und Zement unersetzbar sein (Stichwort Windräder, Wasserkraftwerke usw.). Diese Baustoffe sind aus Nachhaltigkeitssicht aber für den privaten Wohnbau und öffentliche Neubauten nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr bieten hier Massivholzlösungen oder Ziegel praktikable Alternativen für viele Gebäude, auch wenn Beton derzeit noch kostengünstiger ist. Beim ökologischen Bauen wird besonders auf nachhaltige Roh- und Baustoffe ohne toxische Bedenken geachtet, die biologisch abbaubar, recyclingfähig und nachwachsend sind sowie möglichst regional gewonnen und transportiert werden können. (Siehe "Nachhaltigkeit beim Planen und Bauen")

Kreislaufwirtschaft

Die Kreislaufwirtschaft bietet große Hoffnungen für eine Kehrtwende in der Bauwirtschaft und bedeutet viel mehr als nur Recycling. Die Anwendungen der Kreislaufwirtschaft sind bereits in der Planungsphase eines Projekts erforderlich. Kreislaufwirtschaft ist von entscheidender Bedeutung, wenn Baustoffe bei einem späteren Abriss wiederverwendbar gemacht werden sollen. Das Re-Use-Prinzip kann hierbei ein Gamechanger sein, denn von der Planungsphase bis zum Bauprozess gibt es viele Möglichkeiten, Materialien zu reduzieren und Produkte langlebiger zu gestalten.

Kreislaufwirtschaft in der Baubranche

Das Prinzip „Keep in Use“ ist ebenfalls von zentraler Bedeutung: Langlebige Gebäude reduzieren die Bodenversiegelung und den Ressourcenbedarf; Altbauten kann durch Sanierungen ein zweites Leben gegeben werden. Es ist wichtig, Gebäude, Bauteile und Materialien so lange wie möglich in Gebrauch zu halten und mit hohem Wert wiederzuverwenden. Somit ist die Sanierung und Renovierung von Bestandsgebäuden eine vielversprechende Möglichkeit, Nachhaltigkeit in die Bauwirtschaft zu integrieren. Gebäudesanierung verlängert nicht nur die Lebensdauer von Immobilien, sondern trägt auch dazu bei, die Energieeffizienz zu verbessern und den Ressourcenbedarf zu reduzieren. Energieoptimierte Neubauten sind aus Nachhaltigkeitssicht besonders positiv zu bewerten. Allerdings müssen auch bereits bestehende Gebäude berücksichtigt werden, wenn es um einen ganzheitlichen Blick der Nachhaltigkeit auf die Bauwirtschaft geht. Im Idealfall gäbe es nur energieeffiziente, perfekt abgedichtete Häuser. In der Realität ist das meist nicht der Fall und nur eine oft kostenintensive Sanierung gibt alten Gebäuden eine neue Chance, in nachhaltiger Form zu glänzen. (Siehe auch Energieeffizienz: das Riesenpotenzial von Gebäuden nützen)

Investment Zukunft

Für Investor:innen, die tiefer in die Materie verantwortungsvolles Investment eintauchen wollen.

Baustoff Zement

8 % der globalen CO2-Emissionen sind auf die Zementproduktion zurückzuführen

Zement ist auf Grund seines langjährig erprobten Einsatzes das Standardbindemittel in der Bauindustrie. Der Baustoff ist über den gesamten Lebenszyklus betrachtet problematisch:

Da wäre einerseits der hohe Energiebedarf, welcher beim Erhitzen des Kalksteins auf 1.450 Grad Celsius entsteht, um den sogenannten reaktiven Zementklinker herzustellen. Diesen Energiebedarf kann man in Zukunft durch technische Optimierungen reduzieren, wobei die Anlagen idealerweise zur Gänze mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Andererseits wäre dann aber noch das durch den chemischen Prozess freiwerdende CO2 während des Kalkbrenners, welches rund zwei Drittel der Emissionen ausmacht. Die Antwort der Zementindustrie zur Reduktion der Emissionen ist eine Teil-Substituierung des Klinkeranteils durch Beimischung von Zuschlagstoffen wie Hüttensand oder Flugasche – welche allerdings nur in beschränkten Mengen zur Verfügung stehen und nicht emissionsfrei entstehen – oder aber auch, im großen Stil das entstehende Kohlendioxid abzuscheiden und in Hohlräumen der Erdkruste zu speichern.

Betonbruch, der beim Abriss von Gebäuden anfällt, wird in der Regel als Schüttung „wiederverwertet“, was aber keinem geschlossenen Kreislauf entspricht. Beton sollte in Zukunft daher nur mehr sehr selektiv und für langfristige Anwendungsfälle genutzt werden, wo es derzeit keine technischen Alternativen gibt.

Spricht man vom Baustoff Beton, muss man auch den für die Zugfestigkeit notwendigen Bewährungsstahl betrachten, welcher wie andere Industriemetalle Grundlage des technischen Fortschritts ist. Die gute Kreislauffähigkeit von Stahl zeichnet sich dadurch aus, dass das Metall beliebig oft und ohne Qualitätseinbußen mit deutlich geringerem Energieaufwand wiederverwendet werden kann, als es bei einer Neuproduktion der Fall wäre.

Autoren v. l. n. r. Mathias Zwiefelhofer, Sustainability Office und Alexander Toth, Fondsmanager bei der Raiffeisen KAG
Autoren v. l. n. r. Mathias Zwiefelhofer, Sustainability Office und Alexander Toth, Fondsmanager bei der Raiffeisen KAG

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