Hannes Cizek ist seit April neuer CEO der Raiffeisen KAG und spricht im Interview mit FONDS professionell über seine digitalen Pläne für den Vertrieb von Fondssparplänen.

Als Digitalisierungsexperte hat Cizek davor bei der Mutter Raiffeisen Bank International (RBI) an Modernisierungsprojekten gearbeitet. Nun soll auch die Fondsgesellschaft bessere digitale Services abliefern, wie er seinen Kunden, den Raiffeisenbanken und den Raiffeisenlandesbanken (RLBs) verspricht.

FONDS professionell: Herr Cizek, man hört, Chef der Raiffeisen KAG, das sei ein Job, wo man von Raika zu Raika und von RLB zu RLB tingelt. Muss man mögen. Haben Sie schon eine Tour d’Autriche hinter sich? Und wie geht’s Ihnen damit?

Hannes Cizek: In der Geschäftsführung bin ich für das institutionelle Geschäft in Österreich und international verantwortlich und für den Bankenvertrieb in Österreich. Da ist man viel unterwegs, das ist dem dezentralen Sektor geschuldet. Das ist für mich aber keine Belastung, sondern mit ein Grund, den Job zu machen. Die Raiffeisenbanken und
-landesbanken sind unsere Vertriebspartner. Die sagen mir sehr direkt, was passt oder nicht. Es gibt keinen einzigen Termin, wo ich nichts mitnehme. Ein Startvorteil ist, dass ich schon in der damaligen Raiffeisen Zentralbank (RZB, Anm.) für die digitale Transformation und das Projekt „Digitale Regionalbank“ zuständig war. Da habe ich über drei Jahre die Banken vor Ort intensiv kennengelernt. Ohne dieses Netzwerk wäre es sicher ein härterer Start.

Die Digitalisierung zieht sich durch Ihre Karriere. Sie waren in der RBI etwa Leiter Group Digital Banking und haben mit Fintechs zusammengearbeitet. Die Fondsgesellschaften sind im Retail viel weniger digitalisiert als die Banken. Wo wird man merken, dass nun Sie CEO sind – nicht jemand ohne Digitalisierungshintergrund?

Die Organisation spürt, dass für mich die digitale Transformation entscheidend ist und kein lästiges To-do am Rande. Wir stellen uns die Frage, mit welchen Lösungen wir unseren Bankpartnern das Leben leichter machen können. Da geht es um Produktinformationen, digitale Beratertrainings, Schulungen und MiFID*-Konformität, Lösungen, die die Produktauswahl und den Beratungsprozess unterstützen. Da sehe ich sehr viel Potenzial.

Was darf sich ein Berater erwarten?

Für Berater wollen wir die Informationsplattform infoBreak weiterentwickeln. Wir sehen uns an, ob wir diese für andere Kunden, Geschäftsbereiche und Länder einsetzen können. Im Retail überlegen wir etwa Lösungen für das Fondssparen, das kleinteilig und für den Berater aufwendig ist.

Wann ist mit ersten Lösungen zu rechnen?

Wir sind in der Konzeptionsphase. Ich bin seit sechs Monaten im Amt, und man muss sagen, verglichen mit Banken findet man bei Asset Managern weniger digitale Fähigkeiten im Haus vor. Natürlich sind Fondsservice, Fondsmanagement und Handel längstens voll digitalisiert. Aber wenn man endkunden- und vertriebspartner-orientierte Lösungen bauen will, beginnt man in der Regel auf der grünen Wiese. Neu gibt es aber bereits ein Portal für institutionelle Kunden, wo Daten von regulatorischen Unterlagen bis hin zu Analysen leichter verfügbar sind. Und wir haben heuer das neue Portal für die Vermögensverwaltung freigeschaltet. Kunde und Berater sehen nun alles im gleichen Format.

"Wenn wir die Art und Weise verbessern, wie man die Vermögensverwaltung abschließt, sehe ich viel Potenzial." Hannes Cizek, CEO Raiffeisen KAG

Die Vermögensverwaltung wird gerade beworben. Das ist eine Lösung für das Private Banking von Raiffeisenbanken, nicht für Selbstentscheider am Depot?

Genau. Wir haben hier in Österreich grob 3.000 Kunden und 1,5 Milliarden Euro Assets under Management. Die Vermögensverwaltung beginnt bei 150.000 Euro. Das ist ein super Produkt für Affluent- und Lower-Private-Banking-Kunden und sehr zukunftsfähig. Fünf Portfolios, ausschließlich nachhaltig, mit unterschiedlicher Aktienquote. Wir arbeiten da agnostisch und setzen neben Produkten von Raiffeisen Capital Management auch Drittfonds sein. Aber auch hier bin ich mit dem Digitalisierungsgrad nicht zufrieden.

Warum?

Antragsstrecken oder Customer Onboarding sind sehr papierlastig. Ich treffe Raiffeisenbanker, die sagen: „Das Produkt ist gut, das Interesse ist da, der Abschluss aber zu kompliziert.“ Wenn wir die Art und Weise verbessern, wie man die Vermögensverwaltung abschließt, sehe ich viel Potenzial.

Wie viele Raikas und RLBs setzen die Raiffeisen Vermögensverwaltung ein?

Es gibt rund 325 eigenständige Raiffeisenbanken auf der Primärstufe, davon haben wir mit 200 einen Vertrag für die Vermögensverwaltung. Dazu kommen naturgemäß die Private-Banking-Einheiten der RLBs in den Hauptstädten.

Wie sieht es da in Oberösterreich mit der Konkurrenz zur Kepler KAG aus?

In Oberösterreich gibt es eine sehr professionelle Zusammenarbeit. In der Regel werden im Privatkundengeschäft Kepler-Fonds vertrieben, aber bei gehobenen Privatkunden und im Private Banking kommen auch unsere Produkte zum Einsatz.

In der Vermögensverwaltung dürfen Banken keine Vergütungen mehr von Fondsgesellschaften behalten. Wie ist es bei den Fondsprodukten? Die RLB Niederösterreich-Wien sagt, sie nimmt gar keine Vergütung mehr, in Salzburg ist es ebenso. Ist das im Sektor ein Trend oder noch ein Alleinstellungsmerkmal?

Ich kann keinen klaren Trend erkennen. Bei Raiffeisen Österreich gibt es sowohl Banken, die bestandsprovisionsfrei agieren, als auch andere. International werden üblicherweise Bestandsprovisionen in Anspruch genommen. Ich halte diese für sehr transparent. Die Banken müssen im Zuwendungsregister extrem genau dokumentieren, wofür sie das Geld verwenden: für Vertrieb, Beratung, Schulungen. Und es ist nicht leicht, dem Kunden zu sagen: „Die Produkte sind bestandsprovisionsfrei, dafür hebe ich jetzt eine höhere Depotgebühr ein.“ Die Dienstleistung muss ja bezahlt werden.

Werden wir neue Retailprodukte sehen?

Auf der Produktseite ist Raiffeisen Capital Management sehr gut aufgestellt, das sehe ich auch an den Feedbacks der Berater. Wie bei den meisten Gesellschaften, machen die Top-10-Publikumsfonds 80 Prozent unseres Absatzes aus. Ein guter Referenzwert ist, dass diese Produkte auch im Ausland gut gehen.

Ihr Vertriebsklassiker ist der Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Mix, der größte Publikumsfonds im Land – ein Mischfonds. Mischfonds wurden geboren, als es bei Fixed Income keine Zinsen gab: Aktien sollten für die Rendite, Anleihen für die Stabilität sorgen. Jetzt bringen Anleihen wieder Zinsen. Man sieht erstmals Rückgange bei Mischfondszuflüssen. Hat der Mischfonds Zukunft?

Im institutionellen Geschäft, das sich heuer sehr gut entwickelt, ist ein starker Fokus auf Anleihen entstanden. Wir konnten viele gute Mandate gewinnen – fast ausschließlich in Anleihen. Im Privatkundengeschäft sind dagegen unsere Neuzuflüsse sehr aktienlastig. Das ist auch richtig, für den langfristigen Vermögensaufbau Aktien miteinzubeziehen. Ich gebe Ihnen recht, Mischfonds sind da dazwischen gestanden. Wenn wir über mehrere Jahre in einem Zinsumfeld wie jetzt bleiben, müssen wir uns das Thema Mischfonds ansehen.

Sie wollen die technische Abwicklung beim Fondssparen verbessern. Die Sparplanzahlen sind in den vergangenen fünf Jahren um gut ein Fünftel gestiegen. Was erwarten Sie für die nächsten fünf Jahre?

Wir haben in Österreich rund 420.000 Verträge. Ungefähr neun Prozent der Raiffeisen-Kunden haben einen Fondssparplan. Auf jeden Fall wollen wir zweistellig werden. Wir sehen gerade aktuell Chancen, weil der Cost-Average-Effekt umso relevanter ist, wenn Ökonomen unsicher sind, wohin die Reise geht. Im Herbst ist ein Themenschwerpunkt geplant. In Osteuropa wachsen wir mit 250.000 Verträgen von tiefem Niveau aus. Da gibt es gut entwickelte Märkte wie Slowenien; in Rumänien hingegen fangen wir gerade erst an.

Von neun Prozent zweistellig zu werden ist kein großer Sprung …

Ich bin vorsichtig, weil wir in den vergangenen Jahren hohe Steigerungen in einem sehr unterstützenden Umfeld hatten. Wachsen können wir nur gemeinsam mit den Banken. Wir als Raiffeisen Capital Management priorisieren das Thema und investieren viel.

Wird es einmal Raiffeisen-ETFs geben?

Wir setzen im institutionellen Bereich bereits quantitative Produkte ein. Da ist man vom passiven Produkt nicht weit weg. Ob wir so etwas breit in das Retail bringen, kann ich nicht sagen. Ein eigenes Dachfondsprodukt, das nur in ETFs* investiert, kann aber Sinn machen. Wir beschäftigen uns offen mit dem Thema. Wir setzen ETFs selbst ein, wo es Sinn macht, in der Vermögensverwaltung oder in Multi-Asset-Produkten.

Die Raiffeisen KAG gibt es auch in Russland, wo sie als fünftgrößter Asset Manager 1,8 Milliarden Euro verwaltet. Wie ist die KAG in Russland mit Österreich verzahnt?

Bereits vor dem Krieg war die Verschränkung überschaubar. Die dortige Asset-Management-Gesellschaft gehört der lokalen Bank. Wir hatten selektiv Advisory-Mandate vor Ort. Die haben wir beendet oder wir beenden sie dieses Jahr. Und direkt mit Produkten von Raiffeisen Capital Management waren wir in Russland nie so aktiv wie in anderen Märkten.

"In Russland hatten wir selektiv Advisory-Mandate. Die haben wir beendet oder wir beenden sie dieses Jahr." Hannes Cizek CEO Raiffeisen KAG

Aber Sie haben österreichische Fonds, die in Russland vertrieben werden?

Zwei Publikumsfonds von Raiffeisen Capital Management Österreich waren in Russland registriert, die noch im Frühjahr 2022 geschlossen wurden. Generell ist es in Osteuropa so: Teils gehört die lokale Asset-Management-Gesellschaft zu Raiffeisen Capital Management – in Kroatien zum Beispiel – in anderen Märkten der lokalen Bank. In beiden Fällen steuern wir das Fondsgeschäft.

Also auch in Russland?

Nein, in Russland war das nie so. Und in Belarus und in der Ukraine haben wir keine Fondsgesellschaft.

Steuern heißt genau?

Vertriebsvereinbarungen, Vertriebsziele, Produktkatalog. Meist hat die lokale Fondsgesellschaft ein eigenes Fondsmanagement und lokale Produkte, in der Regel Local Fixed Income und Local Currency. Was absolut sinnvoll ist; da haben wir kein Know-how in Wien, und man braucht die Marktnähe.

Alles andere läuft über Master-Feeder-Strukturen. Paradebeispiel ist der Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Mix. Den gibt’s dann mit lokalem Namen und lokaler ISIN*, aber als Master-Feeder-Fonds. Fürs gehobene Privatkundengeschäft registrieren wir vor Ort zusätzlich Fonds von Raiffeisen Capital Management abseits der Kernprodukte. In einem durchschnittlichen osteuropäischen Markt sind zwischen fünf und 20 Fonds von Raiffeisen Capital Management mit österreichischer ISIN registriert. In jedem Markt sitzt jemand von Raiffeisen Capital Management im lokalen Aufsichtsrat. Und all das gab es nie in Russland.

Bei Raiffeisen Capital Management gab es immer Bestrebungen, dass Osteuropa organisatorisch näher an Wien rückt. Wie ist da Ihr Plan?

Michael Kustra, der in der Geschäftsführung für Osteuropa zuständig ist, ist in den letzten Jahren viel gelungen. Die Zahl der Master-Feeder-Fonds ist stark gestiegen. Die Vertriebssteuerung von Wien aus ist bereits sehr aktiv. Heuer haben wir das Risikomanagement integriert. Alle lokalen Asset Manager sind jetzt an das zentrale Risikomanagementsystem angeschlossen.

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Werden Sie da weiter optimieren?

Man muss schauen, ob wir alle Potenziale heben. Wir sind der einzige große Anbieter in Osteuropa, der noch so ein Set-up hat. Die anderen Konkurrenten haben die lokalen Gesellschaften voll integriert. Würde ich erkennen, dass eine stärkere Integration den Vertriebserfolg steigert, dann lohnt es sich, das zu diskutieren.

Viele Fondsgesellschaften zittern vor Greenwashing-Fallen, weil die EU keine klaren Regeln vorgab, nun aber Schwellenwerte plant. Wie groß ist Ihre Greenwashing-Angst von eins bis zehn?

Zwei. Was uns immer vorgeworfen wird, ist hier ein Vorteil: Wir sind sehr konservativ und machen keine Stunts. Wir haben genau zwei Fonds nach Artikel 9* eingestuft (die höchste Nachhaltigkeitsstufe nach Offenlegungsverordnung, Anm.): den Raiffeisen-SmartEnergy-ESG Aktien und den Raiffeisen-GreenBonds. Bei denen sind wir uns bombensicher.

Rückstufungen gab’s keine, so wie bei anderen europäischen Gesellschaften?

Genau. Wir waren schon bei der Einstufung vorsichtig.

Wie viel Zeit vereinnahmt die Nachhaltigkeit in Ihrem Berufsalltag?

In der Geschäftsführung liegt das Thema bei Dieter Aigner, der sehr viel Zeit aufwendet. Nachdem ich für das institutionelle Geschäft zuständig bin, kann ich aber sagen, an Märkten wie Deutschland ist Nachhaltigkeit nach wie vor unser Differenzierungsmerkmal. Das glaubt keiner.

Worin liegt der Vorsprung?

Im deutschen institutionellen Geschäft, wo du wirklich gegen jeden antreten musst, kann sich Raiffeisen Capital Management noch immer als authentisch abheben, weil wir so früh damit begonnen haben. In Italien ist es im Retail genauso. Nachhaltigkeit ist nichts, was wir uns einfach drübergeschrieben haben.

Quelle: Interview vom 02.10.2023 in FONDS professionell mit Hannes Cizek, CEO Raiffeisen KAG.

* Erläuterungen:

MiFID: Markets in Financial Instruments Directive
ETFs: Exchange Traded Funds
ISIN: International Securities Identification Number
Artikel 9 - Offenlegungsverordnung: Die Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) ist eine EU-Verordnung, die die Offenlegungspflichten von Finanzdienstleistern bzgl. der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsthemen in ihren Prozessen und Produkten regelt. SFDR Art. 9: Der Fonds strebt eine nachhaltige Investition an.

Der Raiffeisen-SmartEnergy-ESG-Aktien weist eine erhöhte Volatilität auf, d.h. die Anteilswerte sind auch innerhalb kurzer Zeiträume großen Schwankungen nach oben und nach unten ausgesetzt, wobei auch Kapitalverluste nicht ausgeschlossen werden können.

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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