Interview mit Fondsmanager Ronald Schneider zum Raiffeisen-Osteuropa-Rent

Artikel vom 30.10.2023 in Börse Express

Börse Express: Anleihefonds per se haben durch die weltweiten Zinserhöhungen mehr als ein schlechtes Jahr hinter sich. Bei Osteuropa-Fonds kam der Russland/Ukraine-Konflikt dazu, der russische Anleihen faktisch wertlos machte, mit einer gewissen ingeiselhaftnahme der osteuropäischen Nachbarn. Auch Ihr Fonds notiert ungefähr ein Viertel unter seinem bisherigen Hoch. A.) Wieviel davon ist auf Russland zurückzuführen?

Ronald Schneider: Tatsächlich hat der Raiffeisen-Osteuropa-Rent im Jahr 2022 eine stark negative Performance. Generell litten Anleihefonds im vergangen Jahr unter dem massiven Zins- und Renditeanstieg. In Osteuropa war natürlich durch den Überfall Russlands auf die Ukraine besonders betroffen. In den vergangen 12 Monaten und auch seit Jahresbeginn war die Wertentwicklung des Osteuropa-Rent allerdings durchaus sehr erfreulich und deutlich besser als bei westeuropäischen Staatsanleihenfonds. In etwa die Hälfte des Wertverlustes ist auf Russland zurückzuführen, obwohl wir unsere Bestände dort noch vor der Invasion deutlich reduziert haben und dadurch die negativen Auswirkungen auf den Fonds limitieren konnten.

Und B) bei den großen westlichen Notenbanken sieht es nach einem zumindest sehr nahen Zinsgipfel aus – wie ist die Situation in CEE?

Die Notenbanken in Polen und Ungarn haben mittlerweile begonnen Zinsen zu senken, allerdings nicht den Leitzins. Die deutlich fallenden Inflationszahlen und die schwachen Konjunkturaussichten lassen auf Jahressicht weiter sinkende Zinsen, auch in Tschechien und Rumänien erwarten.

Heißt, auch hier sind die zumindest auf dem Tisch liegenden Risikofaktoren wohl zumindest eingepreist daher die übliche Schlussfrage bereits jetzt: Warum sollte ich Ihren Fonds eher heute als morgen kaufen?

Höhere laufende Rendite bei geringerer Zinssensitivität im Vergleich zu europäischen Staatsanleihenfonds sowie die Phantasie auf deutlichere Zinssenkungen und der Rückgang der historisch hohen Risikoaufschläge der osteuropäischen Anleihen machen den Fonds aus unserer Sicht attraktiv. Auch auf Währungsseite besteht die Phantasie auf positive Beiträge, sollte sich z. B. die Konjunktur besser als derzeit erwartet entwickeln oder die EU-Transferleistungen nach Ungarn und Polen wieder möglich werden.

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Raiffeisen-Osteuropa-Rent

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Fonds im Detail

Wenn ich mir Ihr Portfolio ansehe, gibt es mit mehr als 90 % ein klares Übergewicht an Staatsanleihen. Warum verzichten Sie auf höherrentierende Corporates?

Der Fokus des Fonds liegt laut Anlagerichtlinien auf Staatsanleihen in osteuropäischen Währungen oder Hartwährungen. Der osteuropäische Unternehmensanleihenmarkt ermöglicht insbesondere in den lokalen Währungen keine liquide und gut diversifizierte Beimischung von Corporates.

Unterdurchschnittlich würde ich das Engagement in der Türkei bezeichnen. Warum und dazu gleich die Frage: Wie wählen Sie die Portfoliomitglieder aus?

Wir sind hinsichtlich den Ertragschancen von türkischen Anleihen in Lira aufgrund der zu niedrigen Renditen und des Risikos einer weiteren Währungsschwäche zurückhaltend. Die Positionierung in türkischen Hartwährungsanleihen ist mit 9 % für unseren Fonds eher überdurchschnittlich, da die Risikoprämien trotz des hohen Refinanzierungsbedarfs und der sich in den letzten Jahren verschlechternden Fundamentaldaten des Landes attraktiv sind.

Wenn Sie von einem Staat eine Euro-Tranche und eine in Landeswährung kaufen können, wovon hängt die Entscheidung ab und werden Fremdwährungen an sich als Renditequelle gesehen, oder werden FX-Risiken für Euroanleger abgehedgt?

Der Raiffeisen-Osteuropa-Rent investiert sowohl in Anleihen lokaler Währungen als auch in Euro oder US-Dollar. Nur das US-Dollar-Risiko wird strukturell gehedged. Ob lokale oder Hartwährungsanleihen höhere Gewichtung erfahren, hängt von der relativen Attraktivität, der Einschätzung der regionalen und länderspezifischen konjunkturellen Entwicklung, Erwartungen hinsichtlich Geld- und Wirtschaftspolitik und allgemeinen politischen Themen, woraus Ertragserwartungen für Anleihen und Währungen abgeleitet werden ab. Auch wenn phasenweise FX-Risiken teilweise abgesichert werden, bleibt der Fonds überwiegend gegenüber der Währungsentwicklung offen, woraus eine höhere Volatilität resultiert. Längerfristig erwarten wir, dass der höhere Zins dieses Risiko rechtfertigt.

Haben Corona und der Ukraine-Krieg mit den unterbrochenen Lieferketten und schlussendlich auch EU-Regeln wie zum Lieferkettengesetz neue Fantasie in die Konvergenzstory der osteuropäischen Staaten gebracht? All das ist im mit der EU verbandelten osteuropäischen Raum sicher leichter zu kontrollieren als in Asien …

Das ist zweifellos ein für Osteuropa positiver Faktor. Die geplante Errichtung einer Chip-Fabrik in Polen und auch die geplante Batterieproduktionen in Ungarn sind jüngste Beispiele dafür.

Ihr Fonds weist eine Mehrrendite von etwa zwei Prozentpunkten gegenüber deutschen Staatsanleihen auf, knapp 70 % mehr. Wie hoch sehen Sie einen langfristig gerechtfertigten Aufschlag?

Der Osteuropa-Rent hat aktuell eine Rendite von etwa 6 %. Aufgrund der sich ändernden Zusammensetzung des Fonds und der teilweise sehr unterschiedlichen Entwicklungen der investierten Länder/Märkte ist so eine Einschätzung auf Fondsebene nicht sinnvoll. Die Risikoaufschläge der Staatsanleihen in einigen osteuropäischen Ländern sind, obwohl sie zuletzt schon zurückgekommen sind, noch immer im historischen Vergleich hoch, und bieten zweifellos Chancen, sollten sich die gepreisten Risiken entspannen.

Abschlussfrage: Bei Raiffeisen Capital Management wird was geht auf ESG-Label umgestellt. Ist das bei Ihrem Fonds in Vorbereitung, oder geht sich das mangels Volumens bzw. Angebots in Osteuropa derzeit nicht aus?

Nachhaltigkeit hat für die Raiffeisen KAG einen hohen Stellenwert und wir arbeiten laufend daran, dass Nachhaltigkeitsaspekte noch stärker in unsere Investmententscheidungen einfließen. Dies ist auch für diesen Fonds der Fall, wobei unmittelbar eine stringente nachhaltige Ausrichtung nicht geplant ist.

Erläuterungen:

ESG steht für Umwelt (environment, E), Soziales (social, S) sowie gute Unternehmens- bzw. Staatsführung (governance, G).

Ad FX-Risiken: mit FX sind Fremdwährungen gemeint.

Die Fondsbestimmungen des Raiffeisen-Osteuropa-Rent wurden durch die FMA bewilligt. Der Raiffeisen-Osteuropa-Rent kann mehr als 35 % des Fondsvermögens in Wertpapiere/Geldmarktinstrumente folgender Emittenten investieren: Polen, Türkei, Ungarn.

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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