Bedeutung von Wasserstoff für die Transformation der heimischen Wirtschaft
Round-Table-Diskussion, moderiert durch Mag. (FH) Dieter Aigner, Geschäftsführer der Raiffeisen KAG mit den Expert:innen
DI Andreas Indinger, Head of Center Research and Innovation, Österreichische Energieagentur
Dr. Sorin Ivanovici, Head of Hydrogen & CCU, Business & Digital Transformation Fuels & Feedstock, OMV
Mag. Hannes Loacker, Senior Fondsmanager, Aktien, entwickelte Märkte, Raiffeisen KAG
Mag. Brigitte Straka-Lang, Geschäftsführerin TAG GmbH
„Wir brauchen verbindliche Rahmenbedingungen!“
Dieter Aigner: Herr Indinger, in Österreich wird intensiv an der Entwicklung und Implementierung von Wasserstofftechnologien gearbeitet. Dies umfasst sowohl die Produktion von grünem Wasserstoff, der durch Elektrolyse mit erneuerbarer Energie erzeugt wird, als auch die Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur für Transport und Speicherung. Können Sie uns bitte einen Überblick verschaffen, was dazu in Österreich passiert?
Andreas Indinger: Ich versuche, das entlang der Wertschöpfungskette zu beschreiben und beginne mit der Erzeugung. Im Chemiepark Linz werden jährlich 100.000 Tonnen Wasserstoff erzeugt – allerdings fossil. Dieser Wasserstoff wird innerhalb weniger Minuten zu Ammoniak weiterverarbeitet und später zu Kunstdünger und anderen Produkten. Jetzt geht es darum, wie man das nicht aus fossilen Rohstoffen, sondern aus grünem Strom herstellen kann, um die Emissionen zu reduzieren. Das ist der Hauptgrund für diese Bemühungen: Primär wollen wir die Emissionen senken, aber auch die Beschaffungslinien diversifizieren. Dank des Starts des Elektrolyseurs bei der OMV haben wir jetzt eine Produktionskapazität von 28 Megawatt. Es gibt rund zehn Projekte, die laufen, einige sind in fortgeschrittener Planung. Dabei geht es weniger um die produzierten Kilogramm Wasserstoff, sondern ums Lernen. Viele dieser Projekte haben bereits viel Lehrgeld gezahlt und es gab Rückschläge und Stillstände.
Wie sieht es im Bereich des Transports aus?
Andreas Indinger: Bisher war es nicht notwendig, Wasserstoff zu befördern, da er vor Ort verwendet wurde. Jetzt hat man aber begonnen, sich Startnetze in Ostösterreich und im Raum Oberösterreich anzusehen. Da ist der integrierte österreichische Netzinfrastrukturplan wichtig gewesen, weil man Stromleitungen, Gasleitungen und Wasserstoffleitungen gemeinsam betrachtet hat. Es geht darum, wo die Erzeugungszentren und die Verbrauchszentren sind.
Wie sieht es mit den Speichermöglichkeiten aus?
Andreas Indinger: Österreich hat mit Gampern in Oberösterreich und der RAG Austria ein herausragendes Projekt. Wir sind damit weltweit führend, Wasserstoff in einem Porenspeicher – das ist ein ausgefördertes Gasfeld – unterirdisch zu speichern. In diesem Bereich zählt Österreich zur Weltspitze, und es läuft bereits ein weiterführendes EU-Projekt.
"Wir sind weltweit führend, Wasserstoff in einem Porenspeicher – das ist ein ausgefördertes Gasfeld – unterirdisch zu speichern."
Andreas Indinger
Welche Anwendungen gibt es in Österreich?
Andreas Indinger: Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: Etwa in der Raffinerie der OMV. Auch die voestalpine plant mit dem Projekt HiFor® plus Smelter ein Upscaling eines Prozesses von Donawitz in Linz. Hier kann dann in einem sicherlich bahnbrechenden Verfahren mit Wasserstoff und Strom sehr innovativ Stahl erzeugt werden. In Donawitz steht auch eine Pilotanlage, wo Wasserstoffplasma erzeugt wird, um damit durch eine Schmelzreduktion von ultrafeinen Eisenerzen direkt Stahl zu erzeugen, natürlich in kleinen Mengen. Was im Bereich der Abnehmer fehlt, sind verbindliche Ankündigungen. Viele Akteure warten darauf, dass Unternehmen klar kommunizieren, ab wann und in welchem Umfang sie Wasserstoff benötigen werden. Solche Signale bleiben bislang aus – aber nicht nur in Österreich, sondern weltweit. Es mangelt an verbindlichen Abnahmezusagen, die für Planungssicherheit und Investitionen entscheidend wären.
Welchen Stellenwert hat die Forschung in Österreich in diesem Bereich?
Andreas Indinger: Wir haben sehr gute Technologieentwickler wie die AVL in der Steiermark, Andritz im Anlagenbau und einige wirklich herausragende Forschungsinstitute im Raum Graz, an der TU Wien, in Oberösterreich und auch das AIT. Da ist wirklich viel vorhanden. Und im Rahmen unserer Hydrogen Partnership (HyPA) können wir viele offene Themen diskutieren. Es ist wichtig, im Gespräch zu bleiben.
Welchen Stellenwert würden Sie Wasserstoff für die Transformation der Wirtschaft in Richtung CO2-Neutralität zuschreiben?
Andreas Indinger: Ich sehe Wasserstoff jetzt nicht als „Silver Bullet“ bzw. Allheilmittel. Es ist ein Element in der umfassenden Transformation des Energiesystems. Dabei geht es nicht nur um den Klimaschutz, sondern auch um Digitalisierung, Elektrifizierung und die vielen Akteure, die in Zukunft mehr Energie benötigen werden. Wir hoffen auf weiteres Wirtschaftswachstum, und da ist Wasserstoff ein Baustein der Transformation. In wenigen Bereichen wird er die einzige Option bleiben, in manchen Bereichen der stofflichen Nutzung wird er sich durchsetzen. Häufig jedoch werden die Elektrifizierung oder andere technologische Lösungen besser, effizienter und günstiger sein. Und es ist immer ein Vorteil, wenn es Alternativen gibt. Ich habe ein gutes Gefühl dabei, wenn wir nicht auf eine einzige Lösung angewiesen sind.

DI Andreas Indinger, Head of Center Research and Innovation, Österreichische Energieagentur
Die TAG GmbH ist eine führende Betreiberin von Gasnetzen. Mittelfristig soll, zumindest durch einen Teil der Gasleitungen, Wasserstoff transportiert werden. Können Sie mehr zu diesem Projekt erzählen? Wohin geht die Reise?
Brigitte Straka-Lang: TAG GmbH ist eine führende österreichische Fernleitungsnetzbetreiberin und wichtige Partnerin für die Gasversorgung sowie für erneuerbare Energieträger wie Biogas und Wasserstoff. Mit über 50 Jahren Erfahrung im Gastransport haben wir uns als europäischer Interconnector etabliert – diese Rolle wollen wir auch im Wasserstoffzeitalter übernehmen. Grüner Wasserstoff wird ein zentraler Baustein der Energiewende, besonders für Industrie, Kraftwerke und Mobilität. Im Rahmen von „REPowerEU“ sollen bis 2030 insgesamt 20 Millionen Tonnen Wasserstoff genutzt werden – zur Hälfte in Europa produziert, zur anderen Hälfte importiert. Dafür braucht es eine entsprechende Infrastruktur. Gemeinsam mit anderen Fernleitungsnetzbetreibern arbeiten wir an der "European Hydrogen Backbone"-Initiative. Ein zentrales Ergebnis ist der SoutH2 Corridor, ein Transportkorridor, der grünen Wasserstoff aus Nordafrika über Italien nach Mitteleuropa bringen soll. Wir wirken aktiv mit unserem PCI-Projekt „H2 Readiness of the TAG Pipeline System“ mit. Bereits jetzt sind entlang des SoutH2 Corridors mehr als 65 % der Leitungen als Erdgasleitungen unter der Erde und können künftig für Wasserstoff genutzt werden. Unsere Vision ist, dass TAG künftig auch grünen Wasserstoff sicher und grenzüberschreitend transportiert – für ein klimaneutrales Europa.
Wie kompliziert ist es, Wasserstoff durch bestehende Leitungen zu transportieren?
Brigitte Straka-Lang: Der Transport von Wasserstoff durch bestehende Leitungen ist technisch machbar, aber mit Herausforderungen verbunden. Wir führen eine Machbarkeitsstudie durch, um einen unserer drei Leitungsstränge auf 100 % Wasserstoff umzurüsten. Der größere Aufwand liegt bei den oberirdischen Anlagen wie Armaturen, Ventilen, Kompressoren und Messsystemen. Die Flexibilität unserer Infrastruktur erlaubt es, zwischen Erdgas und Wasserstoff zu steuern. Eine Umrüstung bestehender Pipelines kostet fünfmal weniger als ein Neubau. Bis 2026 wollen wir wissen, welcher Strang am besten geeignet ist.
Wie verläuft die Kooperation mit den anderen betroffenen Netzbetreibern?
Brigitte Straka-Lang: Die enge Zusammenarbeit mit benachbarten Netzbetreibern ist essenziell, da wir Teil eines integrierten, grenzüberschreitenden Netzes sind. Wir stimmen uns mit Snam S.p.A (Italien), Gas Connect Austria und bayernets (Deutschland) ab, um Druckverhältnisse, Materialverträglichkeiten und andere technische Details zu klären. Nur durch koordinierte Herangehensweise ist ein sicherer, effizienter Transport über Grenzen hinweg möglich.
"Gemeinsam mit anderen Fernleitungsnetzbetreibern arbeiten wir an der "European Hydrogen Backbone"-Initiative. Ein zentrales Ergebnis ist der SoutH2 Corridor, ein Transportkorridor, der grünen Wasserstoff aus Nordafrika über Italien nach Mitteleuropa bringen soll."
Brigitte Straka-Lang

Mag. Brigitte Straka-Lang, Geschäftsführerin TAG GmbH
Wenden wir uns der Investmentseite von Wasserstoff zu. Vor rund fünf Jahren konnte man mit Wasserstoff-Aktien aufgrund des Booms viel Geld verdienen. Wieso hat die Performance von Wasserstoff-Aktien in den letzten Jahren so gelitten?
Hannes Loacker: Der Hype war zweifellos da, aber am Ende müssen die Unternehmen auch liefern, in Form von Gewinnen und Umsatzsteigerungen. Die Ausblicke, die die Unternehmen 2020 und 2021 gegeben haben, haben sich nicht materialisiert. Die Unternehmen sind mit ihren Geschäftsmodellen einfach noch nicht in die Gewinnzone gekommen. Man sieht jetzt, dass es viel länger dauert.
Warum war das so?
Hannes Loacker: Die Kunden oder potenziellen Kunden von Elektrolyseuren haben sich in den letzten Jahren, also 2022 und 2023, viel zurückhaltender gezeigt, als ursprünglich erwartet wurde. Auch die hohen Zinsen sind schwierig für Wachstumsunternehmen. Wenn man in Projekte investieren, wachsen oder sich refinanzieren möchte, sind hohe Zinsen natürlich nicht förderlich. Im Gegensatz zur Eurozone sind die Zinsen in den USA immer noch hoch. Die politische Unterstützung wie das REPowerEU-Programm sieht mit dem Ziel von 20 Millionen Tonnen bis 2030 auf dem Papier ja ganz nett aus, doch wir werden es sehr wahrscheinlich bis dahin nicht erreichen, sondern erst um einiges später. Hinzu kommt, dass es nach wie vor viele Unklarheiten bei den sogenannten regulatorischen Rahmenbedingungen gibt. Die Unternehmen wussten nicht wirklich, wie sie zu ihren Subventionen kommen, was dazu führte, dass die finalen Investitionsentscheidungen (FDI) nach hinten geschoben wurden. Wir sehen jetzt einfach, dass diese Entscheidungen der Kunden viel später kommen, als die Unternehmen erwartet haben. Mit den hohen Zinsen war die Gewinnentwicklung schlecht und die Erreichung von Skaleneffekten schwierig. Die Projekte sind größtenteils noch viel zu klein, um rentabel bewirtschaftet werden zu können. Das hat dazu geführt, dass diese Unternehmen die Gewinnzone bislang nicht erreichen konnten.
Welche Auswirkungen hat das auf die Energiewende?
Hannes Loacker: Auch wenn sich das Bild eingetrübt hat, brauchen wir langfristig grünen Wasserstoff. Die Internationale Energieagentur nennt sieben Technologien, die wir benötigen, um eine effiziente, erschwingliche und sichere Energiewende zu schaffen. Neben Photovoltaik und Windkraft, Elektromobilität und Wärmepumpen ist unter anderem auch Wasserstoff dabei. Sie nennt drei Szenarien, darunter ein Szenario, bei dem nur die aktuelle Politik fortgeführt wird, aber auch ein Announced Pledges Scenario, bei dem die Regierungen alle ihre Klimaverpflichtungen erfüllen und zusätzliche Anstrengungen identifizieren und unternehmen. Dieses Szenario ist vielleicht ein bisschen zu optimistisch, aber in diesem Szenario würde man bis 2050 für die Produktion von grünem Wasserstoff weltweit zusätzlich ein Drittel des heutigen Stromverbrauchs benötigen. Selbst wenn wir nur die Hälfte davon annehmen, wären wir immer noch bei 15 bis 20 % zusätzlichem Strombedarf verglichen mit der heutigen Stromnachfrage. Das sind Dimensionen, die zeigen, dass grüner Wasserstoff durchaus eine bedeutende Rolle bei der Energiewende spielen kann.
Das heißt, Wasserstoff könnte langfristig betrachtet wieder interessant werden?
Hannes Loacker: Langfristig glaube ich, dass Unternehmen wieder erfolgreich sein werden. Aktuell ist es jedoch ähnlich wie bei der Solarbranche in Deutschland in den 2000er-Jahren: Da wusste man auch nicht, wer die Gewinner von morgen sein würden. Deshalb investieren wir aktuell weniger in die klassischen Wasserstoffunternehmen als vielmehr in Unternehmen, bei denen das Wasserstoffsegment nur einen Teilbereich der Geschäftstätigkeit darstellt.

Mag. Hannes Loacker, Senior Fondsmanager, Aktien, entwickelte Märkte, Raiffeisen Capital Management
"Langfristig glaube ich, dass Unternehmen wieder erfolgreich sein werden."
Hannes Loacker
Herr Ivanovici, die OMV hat im April 2025 die größte Produktionsanlage für grünen Wasserstoff in Österreich in Betrieb genommen. Was bringt das dem Unternehmen?
Sorin Ivanovici: Unsere neue Anlage hat eine Kapazität von 10 Megawatt und deckt mit der Produktion von bis zu 1.500 Tonnen bereits einen kleinen Teil des Wasserstoffbedarfs unserer Raffinerie in Schwechat ab. Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser unter Verwendung von erneuerbarem Strom hergestellt, wodurch keine CO2-Emissionen entstehen. Im Gegensatz dazu verursacht die Produktion von grauem Wasserstoff, der aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird, erhebliche CO2-Emissionen – etwa 9,4 Kilo CO2 pro Kilo Wasserstoff.
Wo wird dieser grüne Wasserstoff zum Einsatz kommen?
Sorin Ivanovici: Wir nutzen den Wasserstoff stofflich in unseren Raffinerien, insbesondere in Schwechat, um fossilen Diesel und Biodiesel herzustellen. Dadurch können wir für unsere Produkte Treibhausgase reduzieren. Darüber hinaus wird Wasserstoff in der Chemieindustrie zur Produktion von Ammoniak und anderen chemischen Stoffen verwendet, wo eine Elektrifizierung nicht möglich ist. Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich sind e-Fuels, insbesondere e-SAF (synthetic Sustainable Aviation Fuel), die für nicht elektrifizierbare Segmente der Mobilität wie den Flugverkehr notwendig sind.
Mit welchen Herausforderungen sind Sie konfrontiert?
Sorin Ivanovici: Die Produktion von grünem Wasserstoff ist kostenintensiver als die von grauem Wasserstoff, da mehr Energie benötigt wird. Trotz der höheren Kosten ist grüner Wasserstoff essenziell für die Bereiche, in denen es keine Alternativen gibt. Wir fokussieren uns daher auf die stoffliche Nutzung von Wasserstoff in der Raffinerie und der Chemieindustrie, wo ein klarer Business Case besteht. Wir planen auch bereits, eine zusätzliche 140-Megawatt-Anlage in Niederösterreich zu errichten, um bis 2027 den gesamten fossilen Wasserstoff in Schwechat durch grünen Wasserstoff zu ersetzen.
Die OMV hat ihre Wasserstoff-Tankstellen geschlossen. Was hat die Wirtschaftlichkeit dieses Konzepts verhindert?
Sorin Ivanovici: Wir waren von Anfang an Pioniere in der Wasserstoffmobilität und haben viel in nachhaltige Mobilität investiert. Leider hat sich die Technologie im Bereich der Pkw-Mobilität nicht durchgesetzt, da die elektrische Alternative effizienter und kostengünstiger ist in Bezug auf die Gesamtkosten. Daher sehen wir keinen Bedarf und keinen Sinn darin, einen Markt bottom-up zu forcieren. Stattdessen konzentrieren wir uns auf Bereiche, in denen Wasserstoff tatsächlich Sinn macht und wirtschaftlich tragfähig ist.

Dr. Sorin Ivanovici, Head of Hydrogen & CCU, Business & Digital Transformation Fuels & Feedstock, OMV
"Trotz der höheren Kosten ist grüner Wasserstoff essenziell für die Bereiche, in denen es keine Alternativen gibt."
Sorin Ivanovici
Würde es Sinn machen, mit der überschüssigen Energie, die wir zeitweise haben, Wasserstoff zu produzieren, oder ist das zu naiv gedacht?
Hannes Loacker: Vor einigen Wochen wurde in Niederösterreich an einem Tag doppelt so viel Strom aus erneuerbaren Energien produziert, wie verbraucht wurde. An solchen Tagen, wenn ich Strom im Übermaß habe, ist es – salopp gesagt – relativ egal, dass die Produktion von Wasserstoff mit der Rückumwandlung so energieineffizient ist. Bevor ich ein Windrad abschalte oder den Strom gar nicht verwenden kann, kann Wasserstoff – und natürlich auch Batterien, fairerweise gesagt – eine bedeutende Rolle spielen. Das sieht man ja schon jetzt, wenn man global über Österreich hinausschaut, dass es große Offshore-Windprojekte gibt, bei denen geplant ist, direkt vor Ort Wasserstoff zu produzieren. Wasserstoff als saisonaler Speicher ist in Zukunft durchaus interessant, weil Batterien diese Funktion nicht erfüllen können.
ZUKUNFTS-THEMEN
Hintergrundwissen und Einblicke aus dem Fondsmanagement zum Thema "Energie & Wasserstoff"
Fühlen Sie sich bei Ihren Wasserstoff-Initiativen von der Politik unterstützt? Wo würden Sie sich mehr Unterstützung wünschen?
Brigitte Straka-Lang: Die Politik hat die Bedeutung von Wasserstoff erkannt, aber in der Umsetzung gibt es offene Punkte, etwa bei der Benennung einer Zertifizierungsbehörde. Das ist wichtig, um auch auf europäischer Ebene bei den wichtigen Institutionen mitspielen zu können und die Rolle als europäischer Interconnector beizubehalten. Aktuell dürfen wir keinen Wasserstoff transportieren, da uns die Zertifizierung fehlt. Für die Umsetzung unseres Projekts brauchen wir rechtliche Rahmenbedingungen und Genehmigungen. Das Thema ist der Politik bekannt und es werden Anstrengungen unternommen, möglichst rasch das Gaswirtschaftsgesetz dahingehend zu ändern beziehungsweise weitere Lösungen zu finden. Auch die Finanzierung ist wesentlich: Der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur ist kapitalintensiv, es braucht klare Modelle und Planungssicherheit. Hier wünschen wir uns stärkere politische Unterstützung.
Wie wichtig ist die Geschwindigkeit bei der Regulierung?
Brigitte Straka-Lang: Geschwindigkeit bei der Regulierung ist entscheidend. Wenn Österreich zu lange zögert, riskieren wir, als H2-Interconnector- bzw. als Transitland an Bedeutung zu verlieren. Einheitliche und verbindliche Regelungen sind notwendig, ebenso wie technische Vorgaben und Standards. Unterschiedliche nationale Standards erschweren den grenzüberschreitenden Transport. Wir arbeiten daher intensiv mit Partnern und Behörden, um rechtzeitig Klarheit zu schaffen.
Sorin Ivanovici: Auch wir sind auf Klarheit und schnelle Umsetzung bei den regulatorischen Rahmenbedingungen angewiesen. Wir planen, auf einen großen Elektrolyseur umzustellen, und haben weitere Pläne, weil bestehende Regulierungen, die sogenannten Renewable Energy Directives – RED 2 und RED 3, uns verpflichten, die Treibhausgasemissionen unserer Produkte zu reduzieren. Wir benötigen nun aber eine schnelle Umsetzung der neuen EU-Vorgaben, RED 3, um Klarheit für die Abnehmer zu schaffen. Wir haben die Investitionsentscheidung für die 140-MW-Anlage getroffen und brauchen klare Rahmenbedingungen, nicht nur für dieses Jahr oder nächstes Jahr, sondern auch für die nächsten zehn Jahre. Das Projekt muss sich über mehrere Jahre rechnen. Hierbei sind sowohl die Politik als auch die Ministerien gefragt, klare Regeln zu schaffen und diese schnell umzusetzen. Wir wünschen uns keine Extraregeln, sondern die schnelle Übernahme der EU-Vorgaben in nationales Recht.
Herr Indinger, was können Sie zu dem Thema ergänzen?
Andreas Indinger: Ich sehe zwei Hauptpunkte: Regulatorik und Förderungen. Bei den Förderungen sieht es derzeit sehr gut aus. Es steht viel Geld zur Verfügung, aber aufgrund der Budgetsituation könnte es weniger werden. Auch im Forschungsbereich gibt es viele Mittel. Bei der Regulatorik sieht es anders aus. Viele Gesetze waren weit fortgeschritten, scheiterten jedoch an der politischen Abstimmung oder der Zweidrittelmehrheit, insbesondere wegen des Wahlkampfs. Die Verwaltung arbeitet an einer Reihe von Gesetzen, wie am Gas- oder Wasserstoffwirtschaftsgesetz, aber die politische Abstimmung wird spannend. Hoffentlich bringen die nächsten Monate Fortschritte.
Brigitte Straka-Lang: Das EU-Gas-und-Wasserstoffpaket muss rasch in nationales Recht überführt werden, um den Hochlauf des Wasserstoffmarkts aktiv mitzugestalten. Es ist wichtig, Optionen offenzuhalten und große Industriebetriebe nicht von vornherein auszuschließen. Eine schnelle Implementierung könnte Österreich einen Standortvorteil verschaffen und die Dekarbonisierung der Industrie voranbringen.
Welche Rolle spielen Importe?
Andreas Indinger: Im Regierungsprogramm steht, dass Importe wichtig sind. Die Wasserstoffstrategie soll um eine Importstrategie ergänzt werden, da wir Energie importieren müssen. Erneuerbare Gase, E-Methanol und E-Ammoniak sind in Europa im Gespräch. Kürzlich veranstalteten wir beispielsweise einen Ammoniak-Workshop in Linz. Beim Thema Wasserstoff geht es nämlich nicht nur um das Molekül selbst, sondern auch um „verpackte Formen“, auch genannt Derivate, wie Ammoniak, die die chemische Industrie benötigt. Wichtig ist, dass kostengünstige und ausreichende Mengen verfügbar sind.
Hannes Loacker: Die voestalpine hat 2020 gesagt, dass sie für die vollständige Umstellung ihrer heimischen Stahlproduktion auf grünen Stahl etwa jährlich 27 Terawattstunden Strom benötigen wird. Bei einem Gesamtjahresverbrauch von 70 bis 75 Terawattstunden in Österreich zeigt das, wie stark der Strombedarf steigen würde. Letztendlich müsste der Großteil des grünen Wasserstoffs importiert werden.
Sorin Ivanovici: Importe werden eine wichtige Rolle spielen, aber es braucht Diversifizierung. Es geht nicht nur um Wasserstoffmoleküle, sondern auch um Alternativen wie Ammoniak und Methanol. Wir sind bereits in bilateralen Projekten, um diese Stoffe zu importieren. Lokale Projekte sind wichtig für die Versorgungssicherheit und die Optimierung der Strom- und Gasnetze. Aber ohne Unterstützung für lokale Projekte wird die Industrie möglicherweise abwandern.
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