"Aktuelle Situation in der Renditelandschaft so attraktiv wie selten zuvor"

Fondsmanager Josef Wolfesberger

Im Interview mit Börse Express geht er auf die Gründe dafür ein, spricht über den antizyklischen Investmentprozess im Raiffeisen-ESG-Income und über Herausforderungen, die sich durch die ESG-Umstellung ergeben.

Börse Express: Zinsen steigen, die weltweiten Dividenden haben im 2. Quartal - laut einer Studie - Rekorde gebrochen. Ist dies also die richtige Zeit, um in Income-Fonds einzusteigen? Wo liegen derzeit die größten Chancen und Risiken dieser Fondskategorie?

Josef Wolfesberger: Zweifelsfrei stellt sich die aktuelle Situation - insbesondere was die Renditelandschaft betrifft - so attraktiv dar wie selten zuvor in den vergangenen Jahren. Darüber hinaus können bei guter Titelauswahl sehr attraktive Dividenden lukriert werden. Daher sind Income-Fonds aktuell überaus interessant. Aufgrund tendenziell höherer Gewichtungen in Aktien, Unternehmens-, Hochzins- und Emerging-Markets-Anleihen weisen Income-Fonds zwar vergleichsweise höhere Schwankungen auf. Bei den aktuellen Renditeniveaus in den genannten Kategorien werden Anlegerinnen und Anleger für das höhere Risiko jedoch schon mit einer sehr attraktiven Ertragserwartung belohnt.

Der Raiffeisen-ESG-Income wurde 2016 aufgelegt und im vergangenen Mai auf Nachhaltigkeit umgestellt. Welche Umschichtungen hat es anlässlich der Umstellung im Fonds gegeben und wie läuft nun der Investmentprozess im Unterschied zu früher im Detail ab?

Der Prozess der Umstellung auf ein ESG-Konzept war beim Raiffeisen-ESG-Income bereits seit einigen Jahren im Laufen. Die Herausforderung lag darin, Antworten speziell für den Themenkomplex Dividendenaktien und Emerging Markets zu finden. Dividendenaktien sind stärker in traditionellen Wirtschaftsbereichen konzentriert. Sie weisen niedrigere Bewertungen und starke Cashflows auf, haben aber oftmals niedrigere Nachhaltigkeitsniveaus.

Hier setzen wir auf Best-In-Class Ansätze, um vorbildliche Unternehmen in ihrem eigenen Umfeld zu selektieren. Außerdem wird mittels Engagement versucht, positive Veränderungen zu erwirken. So wird innerhalb der jeweiligen Assetklasse ein Portfolio geschaffen, das höhere Nachhaltigkeitsscores als das jeweilige Universum aufweist. Wir können durch die drei Säulen Fordern, Fördern und Vermeiden einen positiven Impact schaffen.

Eine differenzierte Antwort haben wir auch bei Anleihen aus den Entwicklungsländern gefunden, die ein wichtiger Bestandteil für Income-Fonds sind: Eine Beurteilung dieser Länder nach rein westlichem Maßstab wäre hier nicht zielführend, ja gar kontraproduktiv. Daher beurteilen wir diese Länder innerhalb ihrer eigenen Peer-Group und selektieren Länder, die Fortschritte bei der Entwicklung der Treibhausgasemissionen schaffen bzw. im Bereich der Governance und Sozialstandards einen positiven Entwicklungspfad aufweisen. Dadurch schaffen wir hier bessere Werte bei den entscheidenden Nachhaltigkeits-KPIs (Anmerkung der Redaktion KPI = Key Performance Indikatoren) und können auch hier entlang unserer Nachhaltigkeits-Credos „Fordern, Fördern und Vermeiden“ vorgehen.

Raiffeisen-ESG-Income

Fonds im Fokus

Raiffeisen-ESG-Income

Investoren, die ihr Kapital in Income-Fonds investieren, wollen regelmäßige Ausschüttungen lukrieren. Um dieses Ziel zu erreichen, legen solche Fonds in Anlageklassen an, die durch Inkaufnahme höherer Kapitalmarktrisiken eine höhere Rendite bringen. Dabei spielen auf der Aktienseite globale Dividendenaktien und sogenannte "Special-Income"-Titel wie z.B. Aktien in den Bereichen Infrastruktur und Erneuerbare Energien in der Regel eine wichtige Rolle. Wie sieht es damit derzeit im Raiffeisen-ESG-Income aus?

Im Raiffeisen-ESG-Income liegt der Fokus ganz klar in einer sehr aktiven Asset Allocation, die stark antizyklisch gesteuert ist und dadurch über die mittlere Frist die regelmäßigen Ausschüttungen erwirtschaftet. Denn gerade in Phasen von Marktstress ist es angebracht, Gelegenheiten wahrzunehmen und zuzukaufen, um die erhöhten Risikoprämien lukrieren zu können.

Nach einer Zeit hoher Aktienmarktgewinne und unvergleichlich niedriger Anleiherenditen sind festverzinsliche Wertpapiere wieder zu einem überzeugenden Instrument für Rendite und Erträge geworden. Dies ist die Meinung einiger Experten. Teilen Sie diese Einschätzung bzw. könnte das der Grund für die massive Erhöhung der Anleihequote im Raiffeisen-ESG-Income auf fast 75 Prozent sein? Wie sind derzeit die einzelnen Anleihesegmente im Fonds gewichtet (Schwellenländeranleihen, Investment-Grade Anleihen usw.)

Wie oben beschrieben, verfolgen wir einen klar antizyklischen Investmentprozess. In diesem Jahr ist es insbesondere bei Anleihen zu starken Renditeanstiegen gekommen, die bei Unternehmensanleihen über Spreadausweitungen noch verstärkt wurden. Bei Aktien, insbesondere bei Dividendenaktien, wie im Raiffeisen-ESG-Income veranlagt, sind die Rückgänge bisher nur sehr verhalten. So war der Aktienbereich im Fonds Mitte August kaum im Minus. Aus diesem Grund wurden insbesondere bei Hochzinsanleihen und Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen deutliche Aufstockungen vorgenommen. Ebenso wurde die Duration, die Anfang des Jahres noch sehr stark abgesichert war (nur 1,8 Jahre Duration) nun auf 3,6 Jahre erhöht und Durationshedges aufgelöst. So wurde die laufende Rendite im Fonds von knapp über 2 Prozent Anfang des Jahres auf nunmehr 5,5 Prozent erhöht. Unternehmensanleihen und Emerging-Markets-Anleihen umfassen jeweils ca. ein Viertel des Portfolios, Hochzinsanleihen ca. 14 Prozent.

Wie viel Anteil am gesamten Fondsportfolio bzw. am Anleiheportfolio haben aktuell hochverzinsliche Unternehmensanleihen? Hängt hier die Entwicklung allerdings nicht mehr von den gesamtwirtschaftlichen Aussichten und dem Umfeld der Unternehmensgewinne und weniger von Zinssätzen ab? Wie schätzen Sie die Perspektiven diesbezüglich in den verschiedenen Regionen ein und wie hat sich das im Portfolio des Raiffeisen-ESG-Income niedergeschlagen? Und wie haben sich Kreditqualität und Ausfallquoten entwickelt?

Wir betrachten bei jeder Assetklasse die einzelnen Risikoquellen getrennt voneinander: So wird etwa bei Unternehmensanleihen das Zinsrisiko getrennt vom Spreadrisiko betrachtet. Dies hat dazu geführt, dass wir über lange Jahre der negativen Renditen das Zinsrisiko aus Unternehmensanleihen vollständig abgesichert hatten und hier nur – je nach Spreadhöhe – das Spreadrisiko veranlagt haben. Bei Hochzinsanleihen ist – wie von Ihnen erwähnt – das Spreadrisiko stark dominant. Aus unserer Sicht sind aber aktuelle Renditeaufschläge von um die 600 Basispunkte eine gute Kompensation für Risiken, die dieser Assetklasse inhärent sind. Bei weiter steigenden Spreads stehen wir hier bereit, zusätzliche Positionen aufzunehmen. Da der Markt immer schneller in der Bepreisung von Risiken ist, erwarten wir, dass auch seitens der Ratingagenturen hier Ratingverschlechterungen anstehen.

Eine beschleunigte und aggressive Straffung der Geldpolitik, anhaltende Lieferkettenunterbrechungen, Rezessionssorgen und der Russland-Ukraine-Konflikt führen zu erhöhter Marktvolatilität und Unsicherheit. Mit welchen Anlagen/Instrumenten/Strategien tragen Sie im Raiffeisen-ESG-Income dazu bei, Abwärtsrisiken zu mindern bzw. womit schützen Sie das Portfolio in solchen Zeiten?

Ein ausgeprägt antizyklischer Investmentansatz fordert in Zeiten hoher Risikoprämien nicht auf Absicherung zu setzen, sondern sukzessive Renditen im Portfolio zu erhöhen. Dafür muss in Zeiten niedriger Risikoprämien, wie Anfang des Jahres beobachtet, Risikoexposure reduziert werden und Cash-Quoten vorgehalten werden. Verfolgt man diesen Ansatz konsequent, kann dann in Phasen wie aktuell in Assetklassen mit attraktiver Verzinsung veranlagt werden.

Wie sind Sie mit der Performance des Raiffeisen-ESG-Income zufrieden und wie schlägt sich der Fonds im Vergleich mit seinen Peers?

Durch die konservative Positionierung bei Zinsrisiko und sehr hohe Cash-Bestände Anfang des Jahres konnte sich der Wertrückgang des Fonds – trotz strukturell riskanterer Anleiheassetklassen – besser behaupten als viele konservative Mischfonds. Die Möglichkeit jetzt Rendite im Fonds aufzunehmen, schafft aus unserer Sicht die Basis für deutliche Wertanstiege bzw. stabile Ausschüttungen in der Zukunft. Im Vergleich zu anderen Income-Fonds können wir uns über mehrere Jahre recht gut behaupten und Fonds mit deutlich mehr Fondsvolumen hinter uns lassen.

Den Raiffeisen-ESG-Income sollte ich lieber heute als morgen kaufen, da …

… das Fondsmanagement „Herz und Hirn“ hat, um in Phasen von Marktstress und gestiegenen Renditen Aufstockungen vorzunehmen. Dafür wird in “Eitel-Wonne“-Phasen am Kapitalmarkt nicht davor zurückgescheut, Risiko deutlich zu reduzieren.

Die Fondsbestimmungen des Raiffeisen-ESG-Income wurden durch die FMA bewilligt. Der Raiffeisen-ESG-Income kann mehr als 35 % des Fondsvermögens in Wertpapiere/Geldmarktinstrumente folgender Emittenten investieren: Kanada, Vereinigte Staaten von Amerika, Japan, Australien, Deutschland, Finnland, Belgien, Spanien, Schweiz, Schweden, Großbritannien, Italien, Österreich, Niederlande, Frankreich.

Der Fonds strebt unter Inkaufnahme eines höheren Risikos eine bessere Wertentwicklung an als eine Geldmarktveranlagung.

Dieser Inhalt ist nur für institutionelle Anlegerinnen und Anleger vorgesehen.

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